Colitis ulzerosa ist eine in Schüben verlaufende chronisch entzündliche Darmerkrankung, die vorrangig im Rektum beginnt und sich bei etwa der Hälfte der Betroffenen auf das Kolon erstreckt. Die Entzündungen breiten sich kontinuierlich aus und beschränken sich ausschließlich auf die Schichten der Schleimhaut. In Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung kann es zu einer Malnutrition (Unterversorgung mit Nährstoffen) kommen. In der Ernährungstherapie liegt der Fokus darauf, diese zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Krankheitsbild Colitis ulzerosa im Überblick
Definition und Häufigkeit
Colitis ulzerosa ist eine in Schüben verlaufende chronisch entzündliche Darmerkrankung, die vorrangig im Rektum beginnt und sich bei etwa der Hälfte der Betroffenen auf das Kolon erstreckt. Die Entzündungen breiten sich kontinuierlich aus und beschränken sich ausschließlich auf die Schichten der Schleimhaut. Hierbei kommt es im Krankheitsverlauf zur Ausbildung von Geschwüren in der Darmschleimhaut.
Europaweit erkranken jährlich 9 bis 12 Menschen pro 100.000 Einwohner, in Deutschland sind es 3 bis 4 Neuerkrankungen pro Jahr und 100.000 Einwohner [Ott 2008]. Colitis ulzerosa kann in jedem Lebensalter auftreten, häufig wird die Erkrankung zwischen dem 16. und 25. Lebensjahr diagnostiziert. Vereinzelt wurde über eine Colitis auch im Säuglingsalter berichtet. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit einer Inzidenz von 4,1 Neudiagnosen pro 100.000 Einwohner deutlich unter der europäischen Durchschnittsinzidenz von 10,4. Zudem gibt es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle, wobei die Neuerkrankungsrate in Nordeuropa um etwa 40% höher als in den südeuropäischen Ländern liegt [Shi 1996].
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen der Colitis ulzerosa sind noch unbekannt und bieten viele Möglichkeiten für Spekulationen. Einigkeit herrscht lediglich darüber, dass es sich um eine multifaktoriell bedingte Erkrankung handelt, bei der sowohl genetische als auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen [Car 2009]. Die niedrige Konkordanzrate (Wahrscheinlichkeit, mit der ein Merkmal bei beiden Zwillingen auftritt) von 15 % bei eineiigen Zwillingen lässt vermuten, dass erbliche Faktoren bei der Colitis ulzerosa eher eine untergeordnete Rolle spielen.
Der Umstand, dass es in den 40ern in Nordeuropa und in den 60ern auch in Südeuropa zu einem deutlichen Anstieg der Neuerkrankungsfälle kam, spricht zudem für den Einfluss bestimmter Umweltfaktoren. Nicht auszuschließen als Erklärung für diesen Anstieg ist allerdings auch eine bessere Diagnostik bzw. stärkere Beachtung der Erkrankung in den letzten Jahrzehnten. Vermutlich spielen eine Regulationsstörung des intestinalen Immunsystems, Medikamenteneinnahme und Ernährungsfaktoren in Verbindung mit einer genetischen Prädisposition eine wichtige Rolle. Des Weiteren werden Umweltfaktoren (Schadstoffe) und Infektionen (Viren, Bakterien) als Ursachen diskutiert.
Entstehung
Ähnlich wie bei Morbus Crohn besteht auch bei Colitis ulzerosa die Annahme, dass es aufgrund einer genetischen Prädisposition zu immunologischen Fehlreaktionen der Darmschleimhaut kommt. Im frühen Stadium ist eine entzündlich gerötete, ödematöse Schleimhaut erkennbar, die bei Kontakt blutet. Schleimhautulzerationen werden sichtbar.
Das chronische Stadium ist charakterisiert durch die weitgehende Zerstörung des Schleimhautreliefs. Kleinere bestehende Schleimhautinseln zeigen sich als Pseudopolypen. Auch Stenosen werden, allerdings seltener als beim Morbus Crohn, beschrieben.
Bei einer Colitis ulzerosa-Erkrankung treten Veränderungen der Darmschleimhaut auf. Im chronischen Stadium treten gelbe, polsterförmige Schleimhautinseln zwischen der glatten Submukosa auf. Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu zahlreichen Gewebeschädigungen durch Entzündungs- und immunologische Prozesse.
Formen und Symptome
Eine Klassifizierung der Erkrankung erfolgt in Abhängigkeit der Ausdehnung der Erkrankung. Die Montreal-Klassifikation unterscheidet zwischen E1 (Proktitis), E2 (Linksseitenkolitis) und E3 (ausgedehnte Kolitis). Zur Beurteilung der Krankheitsaktivität kann unter anderem der Mayo-Score herangezogen werden.
Diese Einteilung entscheidet über den Einsatz der entsprechenden Medikamente. Zusätzlich nimmt die Einteilung Einfluss auf das Überwachungsprogramm für Kolonkarzinome. Bei einer schweren akuten Form der Colitis ulzerosa müssen die folgenden Kriterien nach Truelove und Witts erfüllt sein: mehr als 6 blutige Durchfälle pro Tag; Fieber; Tachykardie, Anämie und eine BSG > 30 mm/ h.
Die Krankheitsanzeichen beschränken sich in der Regel nicht nur auf den Darmbereich. Meistens ist die Erkrankung mit einem allgemeinen Krankheitsgefühl verbunden. Eine Beteiligung anderer Organe ist im Gegensatz zu Morbus Crohn eher selten. Der Beginn ist oft schleichend.
Mögliche Symptome
- Hauptsymptom sind blutig-schleimige Durchfälle
- Bauch- und Darmbeschwerden
- häufig krampfartige, meist andauernde Bauchschmerzen, ähnlich wie bei einer Blinddarmentzündung
- zum Teil massive Blutungen aus dem Darmbereich
- Fieber bzw. Fieberschübe
- Müdigkeit
- Leistungsabfall
- Appetit- und Gewichtsverlust
- Blutarmut
- Gelenkentzündungen
- Hautveränderungen
- Augensymptome wie Uveitis (Regenbogenhautentzündung) oder Episkleritis (eher selten)
- Symptome einer Mangelversorgung mit Nährstoffen, v.a. Eiweiß, Eisen, Zink, Folsäure, Vitamin B12, Vitamin D
- bei Kindern Wachstumsstörungen
Die Symptomatik während des akuten Schubs unterscheidet sich von den Beschwerden in der Remissionsphase. Bei einem schweren Schub können Tachykardie, Gewichtsverlust, eine abdominelle Abwehrspannung, abgeschwächte Darmgeräusche, blutige Durchfälle, schmerzhafte Stuhlgänge und ein imperativer Stuhldrang auftreten.
Häufige Begleit- und Folgeerkrankungen sowie Komplikationen
Je nach Ausmaß und Ausdehnung der Erkrankung leiden Colitis ulzerosa-Patienten häufig an Komplikationen, die durch die chronische Darmentzündung und die Durchfälle ausgelöst werden. Hierdurch wird sowohl der Krankheitsverlauf als auch das Befinden der Patienten negativ beeinflusst.
Mögliche Komplikationen sind ein starker Gewichtsverlust, Mangelernährung, enterales Eiweißverlustsyndrom (erhöhter Eiweißverlust über den Verdauungskanal), Mangel an verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen, Anämie (Blutarmut) bedingt durch Eisenmangel, Dickdarmkrebs (Spätkomplikation) oder auch Kolondurchbruch und Lähmung des Kolons („fulminante Colitis“).
Krebserkrankungen
Bei Betroffenen ist im Vergleich zur Normalbevölkerung das Risiko, an Dickdarm- oder Mastdarmkrebs zu erkranken, deutlich erhöht. Durch das Vorhandensein einer PSC (primär sklerosierende Cholangitis) und mit der Dauer sowie Ausdehnung der Erkrankung steigt das Risiko. Bösartige Tumore treten, mit Ausnahme von Gallengangkrebs, außerhalb des Darmtraktes nicht gehäuft auf.
Durch den chronischen Wechsel von Entzündungen und Zellregeneration steigt mit der Dauer der Erkrankung das Risiko für Zellentartungen. Schätzungen gehen davon aus, dass das Risiko für Dickdarmkrebs nach 10 Jahren Erkrankung bei 2 %, nach 20 Jahren bei 8 % und nach 30 Jahren bei 18 % liegt. Obwohl chronische Darmerkrankungen nur für etwa 1 bis 2 % der Krebsfälle verantwortlich sind, ist dies dennoch eine ernstzunehmende Komplikation, die immerhin bei etwa 15 % der Patienten zum Tode führt.
Gelenkbeschwerden
Außerhalb des Magen-Darm-Traktes kommen die häufigsten Beschwerden bei Patienten in den Gelenken vor. Typische Krankheitserscheinungen auf der Haut sind Erythema nodosum und seltener Pyoderma gangraenosum. In seltenen Fällen können Krankheitserscheinungen im Bereich der Lunge, dem Herz, den Nieren, der Bauchspeicheldrüse sowie dem Nervensystem auftreten.
Psychosoziale Folgen
Insbesondere wenn Kinder und Jugendliche von chronischen Erkrankungen betroffen sind, besteht die Gefahr einer beeinträchtigten Lebensqualität. Psychosoziale Faktoren spielen hierbei eine wichtige Rolle. Häufige Probleme sind ein vermindertes Selbstwertgefühl, soziale Isolation und fehlende Compliance.
Infektionen
Bei Colitis ulzerosa-Patienten ist unter einer immunsuppressiven Therapie das Risiko für Infektionen deutlich erhöht. Durch immunsuppressiv wirkende Medikamente kommt es zu Störungen des angeborenen und erworbenen Immunsystems, in dessen Folge Krankheitserreger weniger effektiv abgewehrt werden können. Eine vorliegende Mangelernährung kann diesen Prozess noch verstärken.
Pouchitis
Bei der Pouchitis handelt es sich um eine Entzündung der Darmschleimhaut im Pouch. Der Pouch wiederum ist eine Art Beutel, der als Darmersatz nach der Entfernung von Teilen des Darms dient. Eine Pouchitis ist durch wiederholt auftretende akute Schübe gekennzeichnet.
Diagnostik
Die Diagnostik beruht auf den Säulen der Anamnese, der körperlichen Untersuchung sowie den laborchemischen, sonografischen, endoskopischen und histologischen Befunden. Für die Erstdiagnostik sollten in erster Linie eine Erhebung der Krankheitsgeschichte (siehe Anamnese) sowie eine komplette körperliche Untersuchung inklusive einer oralen und perianalen Inspektion, einer rektalen Untersuchung und die Beachtung extraintestinaler Manifestationen erfolgen.
Labordiagnostik
Neben der Körpergewichtsbestimmung mittels BMI ist bei Verdacht auf Elektrolytstörungen die Bestimmung von Natrium und Kalium erforderlich. Bei Kindern erfolgt eine Messung der Gewichts- und Längenperzentilen. Die Bestimmung von CRP (C-reaktives Protein), alternativ BSG (Blutkörper-Senkungs-Geschwindigkeit) sowie ein umfassendes Blutbild werden empfohlen. Auch eine Überprüfung der Leberwerte, insbesondere der Gamma-GT und Alkalischen Phosphatase, ist sinnvoll. In der Anfangsdiagnostik und beim fulminanten Schub ist eine bakteriologische Stuhluntersuchung angebracht. Auch eine Ileokoloskopie mit Gewebeentnahmen aus jedem untersuchten Darmabschnitt ist in der anfänglichen Beurteilung empfehlenswert.
Mikrobiologische Untersuchung
Des Weiteren sollte eine mikrobiologische Untersuchung auf bakterielle Erreger erfolgen, um intestinale Infektionen ausschließen zu können. Hierbei kann auch die Bestimmung von fäkalen, neutrophilen Erregern im Stuhl zur Abgrenzung entzündlicher Ursachen hilfreich sein.
Differenzialdiagnostik
Die Unterscheidung zwischen Colitis ulzerosa und Morbus Crohn ist in vielen Fällen nicht eindeutig. Das Fehlen von blutigen Stühlen oder das Auftreten von Symptomen bei Rauchern kann einen Hinweis auf eine Morbus Crohn-Erkrankung darstellen. Bei aktiven Rauchern ist das Risiko für eine Colitis-Erkrankung niedriger, während das Risiko bei ehemaligen Rauchern um bis zu 70 % erhöht ist. Zur Abgrenzung des Morbus Crohn können zusätzlich eine Ösophagusgastro-Duodenoskopie sowie ein MRT hilfreich sein.
Therapie
Die restaurative Proktokolektomie hat sich als Standardoperation zur Behandlung der Colitis ulzerosa -Erkrankung herausgestellt. Diese ermöglicht die beste Lebensqualität mit einem geregelten Stuhlgang sowie der Erhaltung der Kontinenz bei über 90 % der Patienten. Die chirurgische Entfernung des Kolons ist insbesondere beim Versagen der konservativen, medikamentösen Therapie angezeigt.
Bei einer aktiven Colitis ulzerosa kann es, in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung, zu einer Malnutrition (Unterversorgung mit Nährstoffen) kommen. Diese ist oftmals allerdings geringer ausgeprägt als bei einem Morbus Crohn, da der Dickdarm bei der Verdauung und Absorption von Nährstoffen eine weit geringere Rolle spielt.
Dennoch kann es – besonders im entzündlichen Schub – sowohl zu einer allgemeinen Mangelernährung wie auch zu spezifischen Mangelzuständen kommen, die das Krankheitsgeschehen sowie den Allgemeinzustand des Patienten beeinträchtigen.
Ernährungsziele und diätetische Prinzipien
Ernährungsziele
Wichtig sind eine ausreichende Nährstoffzufuhr und das Vermeiden einer Mangelernährung, das Lindern von Symptomen und Abschwächen/Kompensieren von medikamentösen Nebenwirkungen sowie eine gute Verträglichkeit der Speisen.
Kurzfristige Ziele
- bei Untergewicht: Gewichtszunahme
- bedarfsgerechte Energie- und Nährstoffzufuhr
- Symptome abmildern
Mittelfristige Ziele
- bei Untergewicht: Gewichtszunahme und/oder Gewichtsstabilisierung
- Lebensqualität verbessern
Langfristige Ziele
- Gewichtsstabilisierung
- Minimieren der Folgerisiken
Diätetische Prinzipien
Die empfohlene Ernährung richtet sich nach Schwere, Phase, Komplikationen, Medikation und Nebenwirkungen sowie Komplikationen, Ernährungszustand und Unverträglichkeiten.
Betroffene klagen häufig über Appetitlosigkeit und Übelkeit. Des Weiteren führen Durchfälle und Erbrechen zu einer Unterversorgung mit Energie. Da ebenso die enteralen Eiweißverluste erhöht sind, ist auf eine ausreichende Makronährstoffversorgung an Eiweißen und Fetten zu achten.
Akutphase
Bei einem Gewichtsverlust um mehr als 10 % innerhalb der letzten 6 Monate bzw. unzureichender Nahrungsaufnahme während der Akutphase ist eine enterale oder parenterale Ernährung empfehlenswert. Der Einsatz der Therapieoptionen sollte, wenn möglich, auch hier in der gängigen Reihenfolge erwogen werden:
- Ernährungsberatung zur Behebung von möglichen Ernährungsfehlern und Ausgleich von Mängeln durch alltägliche Kost
- Zugabe von Trinknahrung zusätzlich zur normalen Kost
- Sondennahrung
- parenterale Ernährung
Remissionsphase
Für die Remissionsphase existieren keine überzeugenden Daten, die die Einhaltung einer spezifischen Diät zur Vorbeugung eines erneuten Schubes rechtfertigen. Vielmehr können die PatientInnen in der Regel normal essen. Empfehlenswert ist eine angepasste Vollkost, die sich an der individuellen Verträglichkeit orientiert. Auf einige Mikronährstoffe ist besonders zu achten. Hierzu zählen Vitamin D, Vitamin K, Vitamin A, Vitamin B12, Kalzium, Eisen, Magnesium und Zink.
Mögliche Kostformen und Umsetzung
Stufenschema Aufbaukost
Bei leichten akuten Formen ist die angepasste Vollkost eine geeignete Kostform. Bei schweren Verlaufsformen stehen die Optionen enterale/parenterale Ernährung zur Wahl. Im Anschluss daran kann mit der stufenweisen Aufbaukost begonnen werden.
1. Stufe: leicht verdauliche Kohlenhydratkost (Zwieback, Weißbrot mit Marmelade, mit Wasser zubereiteter Getreidebrei, Wasserkartoffelbrei, gesüßter Tee)
2. Stufe: bei guter Toleranz fettarme, eiweißreiche Lebensmittel (Magermilchprodukte wie Magerquark, fettarme Milch und Käsesorten, mageres Geflügelfleisch, fettarmer Fisch, aber auch nicht-blähendes Gemüse und säurearmes Obst)
3. Stufe: langsame Steigerung des Fettanteils (anfangs kleine Portionen Käse, fettigerer Milchprodukte, Fleisch und Fischsorten)
Nährstoffe und Nahrungsinhaltsstoffe
Bei Untergewicht ist eine energiereiche Kost angezeigt, ansonsten gilt eine energieadäquate Zufuhr. Solange keine Gewichtsabnahme besteht, liegt der Energiebedarf zwischen 25 und 30 kcal pro Kilogramm Körpergewicht und Tag [Loc 2006].
Glutamin
Glutamin ist eine nicht essenzielle Aminosäure, deren Rolle in Entzündungsreaktionen immer wieder heftige Diskussionen auslöst. Während in einigen Studien protektive Effekte einer „Glutamin“-Diät bei CED beobachtet wurden, wiesen die Wissenschaftler Akobeng und Mitarbeiter in einer doppelblinden, randomisierten und placebo-kontrollierten Studie das Gegenteil nach. Demnach aktiviert Glutamin das Immunsystem und fungiert als Vorläufersubstanz des Stickstoffmonoxids (NO), das seinerseits ein wichtiger Entzündungsmediator ist [Ako 2000].
Glutamin wird vermutlich von den Enterozyten bevorzugt verstoffwechselt und soll über die Modulation der Polyaminsynthese positive Effekte auf die Erkrankung zeigen [Coë 2010]. Eine mit Glutamin angereicherte parenterale Ernährung erbrachte ebenfalls keinen Vorteil [Ock 2005]. Für andere Aminosäuren mit immunmodulierender Wirkung wie Glycin, Cystein, Histidin oder Taurin fehlen bislang wissenschaftliche Untersuchungen.
Ein hoher Zucker- und geringer Ballaststoffverzehr kann das Risiko, an Morbus Crohn oder Colitis ulzerosa zu erkranken, erhöhen [Han 2011]. Nahrungsfasern werden zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut, die die Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen wie Interleukinen hemmen können. Der derzeitige Kenntnisstand reicht jedoch nicht aus, um einen erhöhten Verzehr bei entzündlichen Darmerkrankungen zu empfehlen. Die Verträglichkeit der Speisen steht im Vordergrund. Daher sollten Ballaststoffquellen aus verträglichen Gemüsesorten bevorzugt werden.
Um die Entlastung des Dickdarms in der Akutphase zu begünstigen, wird häufig eine ballaststoffarme Kost empfohlen.
Aufgrund eines blutungsbedingten Eisenmangels mit daraus resultierender Anämie kann eine Eisensubstitution die Lebensqualität von Colitis ulzerosa- und Morbus Crohn-PatientInnen verbessern [Gas 2004]. Die parenterale Verabreichung scheint aufgrund einer möglichen entzündungsfördernden Wirkung des Eisens im intestinalen Bereich vorteilhafter zu sein [Ser 2006].
Bei der Gabe von Eisentabletten sollte möglichst eine gleichzeitige Gabe von Vitamin E in Betracht gezogen werden. Eisen ist ein wirkungsvoller Katalysator der sogenannten Fenton-Reaktion, bei der hochreaktive Radikale entstehen. Die Reaktion wird stark mit der Entstehung von Krebs in Verbindung gebracht. Nicht-resorbiertes Eisen kann im Darm daher unter Umständen zu einer vermehrten Radikalbildung und folglich zu einem erhöhten Darmkrebsrisiko führen. Vitamin E-Gaben wirkten diesem Effekt im Experiment entgegen [Car 2002].
Ein Folsäuremangel tritt bei 5 bis 10 % der PatientInnen auf [Kuc 2020]. Aufgrund inkongruenter Daten kann eine Empfehlung zur erhöhten Einnahme oder Therapie bislang aber nicht abgeleitet werden.
Durch die Schädigung der Dünndarmschleimhaut ist die Aktivität des Enzyms Lactase herabgesetzt, in dessen Folge es zu einer (vorübergehenden) Laktoseintoleranz kommen kann.
Im Gegensatz zum Morbus Crohn scheint Colitis ulzerosa nicht mit einem erhöhten Risiko für Laktoseintoleranz einherzugehen. Ein Laktasemangel kommt unter Betroffenen nicht häufiger vor als in der Durchschnittsbevölkerung. Vielmehr scheint das Auftreten einer Milchzuckerunverträglichkeit auch hier vielmehr vom Alter und der ethnischen Zugehörigkeit als von der Erkrankung abzuhängen [Ber 1994]. Ein generelles Verbot laktosehaltiger Produkte ist daher wenig sinnvoll und insbesondere in Anbetracht des wertvollen Kalziumgehaltes eher kontraindiziert. Dennoch ist es nicht auszuschließen, dass es in der akuten Phase zu einer Unverträglichkeit von Milchprodukten kommt.
Während tierische Omega-6-Fettsäuren (Arachidonsäure) als entzündungsfördernde Mediatoren mit einer erhöhten Morbus Crohn- und Colitis ulzerosa-Häufigkeit verbunden sind, sinkt das Auftreten bei einem erhöhten Verzehr an Omega-3-Fettsäuren [Raj 2010]; [Sha 2007]. Diese wirken entzündungshemmend. Einige Vertreter sind in der Lage, über die Modulation von Immunzellen (T-Zellen, Makrophagen) das Risiko für Folgeerkrankungen wie Dickdarmkrebs zu senken [Bas 2010].
Bei Einsatz von Omega-3-Fetten in der Therapie ist immer auf die individuelle Verträglichkeit zu achten.
PatientInnen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen weisen im Vergleich zu Gesunden häufig eine veränderte Intestinalflora auf. In der Pathogenese sind vermutlich TLR- und NOD2-Rezeptoren beteiligt, die bakterielle Oberflächenstrukturen erkennen können.
Bei einer genetischen Veranlagung kommt es nach Bindung pathologischer Keime an diese Rezeptoren zu einer Überstimulation des Transkriptionsfaktors NF- κB, was zur Synthese entzündungsfördernder Zytokine (TNF-alpha, INF-gamma, IL-1, IL-6, IL-12) und damit zu Entzündungsreaktionen führt. Während in Tierversuchen mit der Gabe von Lactobacillus reuteri und L. plantarum Entzündungen verhindert werden konnten, sind die Daten in Humanstudien widersprüchlich. Einige doppelblind durchgeführte Versuche mit Saccharomyces boulardii zeigten eine signifikante Reduktion der Stuhlfrequenz und der Entzündungsaktivität [Ple 1993]. In anderen Untersuchungen konnte eine Verbesserung der Symptomatik und des Verlaufs sowie eine verminderte Rezidivhäufigkeit beobachtet werden, in dem entzündliche Gewebereaktionen vermindert und die lokale Immunität gesteigert wurden [Yan 2010].
Versuche mit dem Probiotikagemisch VSL#3 erzielten bei einer Pouchitis vielversprechende Ergebnisse. So sank die Rezidivrate um ein Vielfaches [Gio 2000]; [Mim 2004]. Auch präventive Effekte ließen sich bereits nachweisen. So entwickelten in zwei randomisierten placebo-kontrollierten Studien lediglich 10 % bzw. 7 % der Betroffenen im Laufe eines Jahres eine Pouchitis, während diese in der Placebo-Gruppe bei 40 % bzw. 29 % auftrat [Mim 2004]; [Gio 2003]. Dabei wurden verminderte Konzentrationen an proinflammatorischen (IL-1, TNF-alpha, INF-gamma), aber erhöhte Mengen an antiinflammatorischen Zytokinen (IL-10) gemessen.
Laut der Leitlinie der American Gastroenterological Association aus dem Jahr 2020 kann bei einer Entzündung der Darmanastomose nur ein Gemisch (Lactobacillus paracasei paracasei, L. plantarum, L. acidophilus, L. delbrueckii bulgaricus, Bifidobacterium longum longum, B. breve, B. longum infantis und Streptococcus salivarius thermophilus) therapeutisch in Erwägung gezogen werden [Su 2020]. Hierdurch steigt die Chance auf eine Remission und verhindert eventuell bereits das erste Auftreten einer Pouchitis.
Der Eiweißbedarf ist infolge der katabolen Stoffwechsellage im Rahmen der Entzündung sowie des etwaigen intestinalen Eiweißverlustes erhöht und beträgt zwischen 1 und 1,5 g pro Kilogramm Körpergewicht und Tag, bei septischen oder schwerst mangelernährten PatientInnen bis zu 2 pro Kilogramm Körpergewicht und Tag [Loc 2006].
Curcumin kann in der Remissionsphase möglicherweise hilfreich sein. In einer prospektiv, randomisierten, doppelblinden, placebo-kontrollierten Studie ging die Gabe von 2 g täglich mit einer länger andauernden Remissionsphase im Vergleich zur Kontrollgruppe einher [Han 2006].
Ein Vitamin D-Mangel kann bei Adipositas, bei Einnahme von Antikonvulsiva oder unter Glukokortikoidtherapie auftreten [Kuc 2020]. Die Endocrine Society empfiehlt bei Erwachsenen eine tägliche Vitamin-D-Zufuhr von 1500 bis 2000 IE pro Tag (Ziel: Vitamin D-Spiegel im Blut von >75 nmol/l bzw. >30 ng/ml).
Bei andauernden Durchfällen gehen erhebliche Mengen an Zink verloren, die zu einem Zinkmangel führen können. In diesen Fällen ist der Bedarf erhöht, der über die Nahrung kaum gedeckt werden kann.
Nach den Leitlinien sollten bei vorliegendem Mangel über max. 3 Wochen 30 bis 45 mg Zink in Form von Zink-Histidin oder -Glukonat oral aufgenommen werden. Bei nicht ausreichendem Ansprechen sollte Zink parenteral substituiert werden (Literatur bei [Kuc 2020])
Lebensmittel und spezielle Produkte
Haushaltszucker
So nahm bei Mäusen unter einer glukose- sowie fruktosereichen Diät die Anzahl physiologischer „guter“ Darmbakterien (Bacteroidetes) ab und die Anzahl „schlechter“ Bakterien (Proteobakterien) zu. Dies erhöhte die Durchlässigkeit des Darms und steigerte die Entzündungsaktivität [HoD 2018].
Die Gabe von Zuckerlösungen über 10 Tage führte ebenfalls zu messbaren Veränderungen des Mikrobioms. Dabei vermehrten sich Bakterien, die die schützende Schleimschicht des Darms ausdünnen und bloßlegen. Diese Mechanismen sind typisch für entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulzerosa. Bei einigen Versuchstieren wurde eine Kolitis ausgelöst. Der Effekt bestätigte sich zudem, wenn der Stuhl der getesteten Tiere transplantiert wurde. Auch einige der Spenderempfänger entwickelten eine Kolitis [Kha 2020].
Plantago ovata Samenschalen
Samenschalen der Plantago ovata Pflanze, die hierzulande als indischer Flohsamen oder Flohsamenschalen angeboten werden, können zu einer Verlängerung der Remissionsphase beitragen. In einer Untersuchung erzielte die medikamentöse Therapie mit Mesalazin im Vergleich zur Plantago ovata-Therapie keinen Vorteil [Fer 1999].
Dickdarmbakterien verwerten die enthaltenen Ballaststoffe zu kurzkettigen Fettsäuren wie Butyrat, Azetat und Propionat, die den Darmzellen als Nährstoff dienen [Nor 1996]. Zudem ist bekannt, dass Butyrat einen modulierenden Effekt auf verschiedene Immunzellen und Entzündungsmediatoren in der Darmschleimhaut hat.
Spezialnahrungen
Für Spezialnahrungen, die zum Beispiel mit Glutamin, Butyrat oder Omega-3-Fettsäuren angereichert sind, konnte kein überzeugender Zusatznutzen ermittelt werden.
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