Der Vorsatz, eine Gewohnheit zu ändern, ist gefasst. Der Wille scheint unbezwingbar. Die ersten beiden Tage herrschen noch Euphorie und Hingabe. Am dritten Tag treten bereits erste Ermüdungserscheinungen auf. Am vierten Tag wird es schon deutlich schwerer, durchzuhalten. Die nächsten 24 Stunden macht sich Ernüchterung breit. Und dann – am sechsten Tag ist der Vorsatz dahin. Der Wille scheint gebrochen, das Selbstwertgefühl im Keller. Wieder und wieder stellen wir uns die gleichen Fragen: Warum ist das eigentlich so? Sind wir zu schwach? Fehlt es uns an Disziplin? Oder reißen wir uns einfach nicht genug zusammen?
Ein Schlüssel zum Gewohnheitsverständnis: die Selbstkontrolle
Definition
Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis, warum wir regelmäßig scheitern, ist der Begriff der Selbstkontrolle. Darunter verbirgt sich eine Reihe an automatisierten und völlig logischen Prozessen, die uns gut durch den Tag bringen sollen. Unser Körper verfügt über eine gewisse Menge an mentaler Energie, die dazu benötigt wird, die täglichen Pflichten und Anforderungen erfolgreich zu meistern.
Mechanismus
Diese Energie wird immer dann verbraucht, wenn wir uns körperlich oder geistig anstrengen oder aber auch, wenn wir unseren Impulsen widerstehen müssen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn wir morgens aufstehen, obwohl wir lieber weiterschlafen möchten. Oder wenn wir uns den dritten Keks verkneifen, obwohl wir weiter essen wollen. Oder wenn wir freundlich bleiben, obwohl wir unserer Wut gern freien Lauf lassen würden. Wir verbrauchen diese Energie also immer dann, wenn unser Handeln nicht im Einklang mit unseren momentanen Bedürfnissen steht und wir diese zurückstellen müssen.
Ermüdung
Wir können uns diesen Vorgang ähnlich wie das Ermüden eines Muskels vorstellen, der mit andauernder Anstrengung immer schwächer wird – die Kraft also nachlässt. Hat unser „Selbstkontrollmuskel“ an einem Tag bereits viel geleistet, wird es zunehmend schwieriger, weiteren Versuchungen erfolgreich zu widerstehen. Unser Handeln folgt dann weniger den guten Absichten, dafür aber stärker den spontanen Impulsen. Reflektiertes Handeln erfordert wesentlich mehr mentale Kraft als impulsives Verhalten, das weitgehend automatisiert abläuft. Deshalb wechseln wir in einem Zustand mit wenig verbliebener mentaler Energie immer öfter in den Modus des impulsiven Handelns. Dem Körper fehlt die Kraft, Versuchungen länger zu widerstehen. Diese Prozesse laufen größtenteils völlig unbewusst ab.
Regeneration
Die gute Nachricht ist, dass sich dieses Energiedepot im Ruhezustand wieder auffüllt. Daher ist es auch wichtig, ausreichend zu schlafen und sich während des Tages ein paar kleinere Verschnaufpausen zu gönnen.
Selbstkontrolle trainieren – eine Gewohnheit ändern
Training
Und es gibt noch eine gute Nachricht: so wie wir einen Muskel trainieren können, so können wir auch die Fähigkeit zur Selbstkontrolle üben. Denn je öfter es uns gelingt, schwierige Momente der Versuchung zu überwinden, umso stärker wird unsere Selbstkontrolle. Mit den Erfolgserlebnissen gelangen wir immer mehr zu der Überzeugung, dass wir in der Lage sind, uns ausreichend zu disziplinieren. Das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, das nächste Ziel zu erreichen.
Automatismus unterbrechen
Eine andere Möglichkeit besteht darin, den eigenen Automatismus zu unterbrechen. Sobald wir an einem Punkt angelangt sind, an dem uns der Impuls attraktiver erscheint als das eigentliche langfristige Ziel, kann das Ziel wieder bewusst in den Vordergrund gerückt werden. So können wir uns beispielsweise mithilfe von kleinen Motivationsnachrichten oder -bildern an strategisch wichtigen Punkten, wie etwa dem Kühlschrank oder dem Spiegel, an unser Ziel zurückerinnern.
Neu automatisieren
Schlussendlich kann erwünschtes Verhalten automatisiert werden. Zunächst ist es wichtig, die Umgebung so zu organisieren, dass automatisch das „Richtige“ passiert. So ist für uns ein Teller mit geschnittenen Stücken Obst oder Gemüse in Reichweite zum Beispiel günstig, wenn wir zwischendurch gerne naschen. So können wir einfach zugreifen, ohne erst über den Genuss von Schokolade oder Keksen nachzudenken. Natürlich sollte die „Maßnahme“ zu unserem problematischen Verhalten passen. Wenn wir das erwünschte Verhalten gefunden haben, können wir es durch häufige Wiederholungen automatisieren. Je häufiger wir es ausführen, desto weniger müssen wir es bewusst tun.
Strategien gegen alltägliche Stolperfallen
Es wird deutlich, dass uns unterschiedliche Strategien von Nutzen sein können, je nachdem, an welchem Verhalten wir arbeiten wollen. Auch gibt es alltägliche Stolperfallen auf dem Weg, Gewohnheiten zu ändern. So neigen wir dazu, zu schnell zu viel auf einmal zu wollen oder wir vergessen, dass Rückschläge dazu gehören. Immer nach dem Prinzip „ganz oder gar nicht“ erliegen wir der einen oder anderen Herausforderung und werfen schnell alles über Bord. Dabei gibt es für jede Stolperfalle eine passende Strategie.
Ein Ziel – so konkret wie möglich
realistisch planen: 1 Ziel
Zum Jahreswechsel nehmen wir uns immer allerhand vor. Wir wollen uns gesünder ernähren, weniger Alkohol trinken, weniger rauchen und mehr Sport treiben. Aber schon nach einer Woche sind alle guten Vorsätze dahin. Das Hindernis: wir haben uns einfach zu viel auf einmal vorgenommen. Zudem war nicht ganz klar, was unser Vorsatz, gesünder zu leben, genau beinhalten sollte. Wie wollen wir unsere Ernährung konkret umstellen? Wie kann die Umstellung mit dem Alltag vereinbart werden? In welchen Mengen finden wir Alkohol und Zigaretten weiterhin ok?
positive Erwartungen formulieren
Ein besserer Weg könnte sein, sich zunächst ein konkretes Ziel zu setzen und dabei zu planen, wie es in den Alltag integriert werden kann. Dabei ist besonders wichtig, sich deutlich zu machen, warum dieses Ziel verfolgt werden soll und welche positiven Aspekte mit dem Ziel in Verbindung gebracht werden. Es kann durchaus hilfreich sein, sich diese Gedanken zu notieren. Zum einen bewirkt das Formulieren der Erwartungen, dass das Ziel und die Auswirkungen verinnerlicht werden, was wiederum für die Motivation wichtig ist. Zum anderen können die Aufzeichnungen später noch einmal nachgelesen und das Ziel sowie die damit verknüpften positiven Erwartungen reaktiviert werden.
konkrete Handlungs-anweisungen definieren
Konkrete Handlungsanweisungen sind zudem leichter zu befolgen als abstrakte Vorsätze. Was wäre für uns einfacher umzusetzen: „Ich esse heute gesünder.“ oder „Ich esse heute Mittag statt Currywurst mit Pommes ein leckeres Steak mit Salat“? Es ist besser, auf schwammige Zielformulierungen wie „weniger rauchen“ oder „mehr Sport treiben“ zu verzichten.
Ausnahmen einplanen
Außerdem gilt: Bei einigen Zielen sind Ausnahmen ausdrücklich erwünscht! Wenn es für unser Wohlbefinden dazugehört, beim wöchentlichen Stammtisch in der Kneipe ein oder zwei Bier mehr zu trinken, dann können wir dies auch weiterhin tun. Dafür können wir mit uns vereinbaren, am Tag vorher oder danach 30 Minuten joggen zu gehen und den Rest der Woche auf Alkohol zu verzichten.
Methode: Wenn-Dann-Pläne
Laut Psychologen können konkrete Wenn-Dann-Pläne zum Gelingen von Vorsätzen beitragen. Solche Handlungsanleitungen helfen dabei, zuvor identifizierte geeignete Gelegenheiten dazu zu nutzen, die gesetzten Ziele zu realisieren [Süddeutsche 2021]. Wichtig dabei ist:
- Identifizieren der bestmöglichen Gelegenheit, um die Vorsätze umzusetzen: Nutzen Sie den freien Samstagvormittag zum Einkauf auf dem Wochenmarkt, nicht den hektischen Mittwochnachmittag.
- Konkrete Formulierung des Vorsatzes nach dem Wenn-Dann-Prinzip: „Wenn ich morgens die Kaffeemaschine angestellt habe, dann trinke ich ein Glas Wasser.“
- Das Ziel sollte realistisch bzw. einfach gehalten sein und sich in 90 % der Gelegenheiten umsetzen lassen. Überprüfen Sie, was daran attraktiv für Sie ist. Kleinere Schritte („Wenn ich aufgestanden bin, dann mache ich 5 Liegestütze.“) sind erfolgversprechender als Große („Dieses Jahr laufe ich Marathon.“).
- Legen Sie sich verbindlich auf die geschmiedeten Wenn-Dann-Pläne fest.
- Die Anzahl solcher Pläne sollte die Zahl 5 nicht überschreiten. Die Anzahl der Wiederholungen sollte zwischen 60 und 70 liegen.
Diese “Tiny Habits Methode” nennt sich in der Fachsprache Implementierungsintention. Eine künftige kritische Situation wird mit einer zielführenden Handlung verknüpft und so ein Aktionsplan geschaffen.
Methode: Minimale Kontinuität
Vorsätze sind oft zu hochgesteckt. Diese werden für ein paar Tage gut durchgehalten. Doch schon bald übernimmt das Unterbewusstsein wieder das Ruder: Es mag weder Verzicht noch Hunger und boykottiert so die guten Vorsätze. Es überkompensiert.
Der Mentalcoach Thomas Baschab empfiehlt das Prinzip der minimalen Kontinuität. Es sollte immer die denkbar kleinste Einheit gewählt werden, um zu beginnen. Das kann ein Glas Wasser am Morgen, 10 Liegestütze am Abend, eine 5-minütige Atemübung in der Mittagspause oder ein kleiner Beilagensalat zu einer Mahlzeit am Tag sein. Wichtig ist: Diese kleinen Einheiten sind täglich zu wiederholen. Mittel- und langfristig fördert das die mentale Stärke.
Die Vorteile liegen auf der Hand. Kleine Einheiten üben weniger Druck aus und benötigen weniger Disziplin. Die Schwelle ist niedrig, das Anfangen ist leichter. Verzicht oder Hunger stehen nicht primär im Vordergrund. Zudem sind kleine Schritte meist Handlungszielen zuzuordnen. Diese sind gegenüber Ergebniszielen (“Ich will mich gesünder ernähren.”) wesentlich erfolgversprechender und sicherzustellen. Abstrakte, langfristige Pläne sind das hingegen nicht.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Methode: Seinfeld-Strategie
Das Loswerden unliebsamer Gewohnheiten oder wünschenswerte Gewohnheiten im Alltag zu etablieren, bedarf auch immer einer anhaltenden Motivation.
Eine Methode, auch an schwierigeren Tagen motiviert zu bleiben, ist die sogenannte Seinfeld-Strategie. Benannt wurde die Technik nach dem Komiker Jerry Seinfeld (der selbst jedoch abstreitet, der Erfinder der Methode zu sein). Zur Umsetzung bedarf es eines Jahreskalenders (idealerweise mit einem Blatt pro Monat oder pro Woche) und eines fetten roten Stiftes. Die Methode eignet sich vor allem für kleine Ziele, die jeden Tag umgesetzt werden sollen, zum Beispiel Liegestütze machen, abends vor dem Fernseher nicht snacken oder Wasser statt Limo trinken.
Der Kalender wird sichtbar aufgehängt. Mit dem roten Stift wird immer dann ein großes rotes X gemacht, wenn das Ziel umgesetzt wurde. So entsteht nach ein paar Tagen eine Kette, die mit jedem weiteren erfüllten Tag länger wird. Das Wachsen der Kette und damit das Dranbleiben füttern die tägliche Motivation. Wer die Kette abbrechen lässt, fängt wieder von vorn an. Ziel ist es, möglichst lange Ketten zu erreichen. Das Ziel und die Anzahl der Wiederholungen etc. können auch variiert werden.
Verführungen im eigenen Umfeld umwandeln oder umgehen
Beispiel Snacken
Bei vielen zählt ständiges Snacken zu den lästigen Gewohnheiten. Wir essen häufig zwischen den Mahlzeiten, ohne dass wir es überhaupt noch bewusst wahrnehmen. Deswegen haben wir wenig Kontrolle darüber, was wir tatsächlich konsumieren. In solchen Fällen können wir entweder den Automatismus des Handelns für uns nutzen oder wir unterbrechen diesen, um das automatische Handeln wieder durch willentliches, bewusstes Verhalten zu ersetzen.
Automatismus des Handelns nutzen
Den Automatismus nutzen wir, indem wir etwa am Arbeitsplatz eine Schale mit „mundgerecht“ vorbereitetem Gemüse oder Nüssen in Reichweite bereitstellen. So können wir einfach zugreifen und kommen nicht so leicht in Versuchung, einen ungesunden Snack aus der Küche oder aus der Schublade zu holen. Hilfreich können auch Bonbons mit Mentholgeschmack sein. Diese haben einen doppelten Vorteil. Zum einen ist der Mund eine Weile beschäftigt. Zum anderen hat der Menthol- oder Minzgeschmack eine appetithemmende Wirkung. Aus diesem Grund könnte man bei Verlangen nach einem Snack auch die Zähne putzen. Der Mentholgeschmack im Mund nimmt uns mitunter die Lust auf Essen.
Rahmenbedingungen ändern
Wenn es möglich ist, können auch alle unerwünschten Produkte verbannt werden. Was nicht da ist, kann nicht gegessen werden. Was nicht gesehen wird, wird nicht eingefordert. Vor allem für Phasen oder Situationen, in denen wir schon von vornherein wissen, dass wir der Versuchung nur schwer widerstehen können, ist diese Vorgehensweise empfehlenswert. Umgekehrt können wir in schwierigen Zeiten auch „gefährliche“ Situationen oder Orte meiden.
Extra: Evolutionärer Selektionsprozess
Schlechte Gewohnheiten sind kein Zeichen mangelnder Selbstbeherrschung, sondern das Ergebnis eines Selektionsprozesses durch die Umgebung. Das jedenfalls meinen Forscher der Universitäten Bamberg und Braunschweig, wie sie in einem aktuellen Artikel im Journal „Behavioural Processes“ erläutern [Bor 2021].
Demnach hat der Mensch aus der Evolution heraus eine Vorliebe für energiereiche und süße Lebensmittel. Diese übten sich als „Signale der evolutionären Fitness“ positiv auf das Überleben und die Fortpflanzung aus. Durch Wiederholung entwickelten sich daraus in einer Art Selektionsprozess feste Gewohnheiten und erlernte Verhaltensweisen.
Übertragen auf heutige Gewohnheiten wird zum Beispiel regelmäßiges abendlichen Eisessen durch das Öffnen der Tür vom Gefrierschrank und das Herausnehmen des Eises als erlernte Signale zu einer festen Verhaltensweise. Eine evolutionäre Selektion gegen die Vorliebe für süße Speisen hat jedoch noch nicht stattgefunden. Das erklärt, warum sich derartige Gewohnheiten kaum durch gute Vorsätze oder Appelle reduzieren lassen.
Was also tun? Den Forschern zufolge kann es helfen, die Umgebung zu ändern, indem zum Beispiel kein Eis mehr eingekauft und im Gefrierschrank aufbewahrt wird.
Die recht komplexen Mechanismen können in der Pressemitteilung der Otto-Friedrich-Universität Bamberg nachgelesen werden.
Bewusstwerden beeinflusst Genuss und Sättigung
Achtsam essen
Für diejenigen, die zu große Portionen essen, ist achtsames Essen eine geeignete Methode, um den eigenen Sättigungspunkt zu erkennen und zu beachten. Damit verbunden ist ein positiver Nebeneffekt: Der hektische Alltag kann so entschleunigt und die Essenssituation als bewusster Moment des Innehaltens und des Genießens erlebt werden.
Lebensqualität steigern
Im Durchschnitt laufen etwa 95 Prozent des menschlichen Verhaltens automatisch ab. Lernen wir, das Essen davon auszunehmen, ist es eine Quelle des Genusses und die Chance, im stressigen Alltag innezuhalten und Energie zu tanken. Somit kann es unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden deutlich steigern. Dieses Potenzial sollten wir wieder schätzen lernen und für uns nutzen. Auch bei stressbedingten Verdauungsproblemen kann diese Methode Abhilfe schaffen.
Unterwegs essen besser organisieren
Gesunde Snacks
Wer häufig unterwegs is(s)t, ernährt sich oftmals von Kalorienbomben und nährstoffarmen Speisen. Das Angebot ist nicht gerade vielseitig. Dennoch gibt es ein paar Möglichkeiten, auch unterwegs einen bekömmlichen und nährstoffreichen Happen in den Mund zu bekommen.
Eine grundsätzliche Möglichkeit gegen den schnellen Hunger ist die Nussmischung in der eigenen Tasche. Ob Walnüsse pur, Nussmischungen oder Studentenfutter: hierbei handelt sich um Snacks mit reichlich Energie, guten Fetten, leicht verdaulichem Eiweiß, sättigenden Ballaststoffen und wertvollen Mineralstoffen. So können wir die eine oder andere fehlende Mahlzeit schon mal überbrücken.
Wer mag, kann sich auch eine Lunch Box vorbereiten und ist tagsüber vor den Burger-Attacken sicher. Add-ons zum Salat indes peppen langweilige Angebote auf: eine kleine Büchse mit selbstgemachtem Dressing; mitgebrachter Schinken oder Käse von zu Hause werten Fertigsalate schmackhaft und sättigend auf. Meal-Prepping ist dabei eine praktische Methode, Außer-Haus-Essen im Vorfeld zu organisieren.
Rückfälle akzeptieren und einplanen
Schwarze Tage
Manchmal denken wir, wir haben es endlich geschafft. Zunächst ist das Ziel erreicht, nach und nach die Ernährung umzustellen sowie auf kalorienreiche und nährstoffarme Lebensmittel zu verzichten. Außerdem ist es gelungen, Sport in unseren Alltag zu integrieren. Doch dann kommt der schwarze Tag, an dem einfach alles schiefläuft. Wir sind abends frustriert und erschöpft, sodass wir in alte Muster zurückfallen und uns mit Eis trösten wollen. Dass Eis nicht wirklich trösten kann, wird uns erst im Anschluss klar.
Schwarz-Weiß-Malerei
Viele von uns neigen zu fatalistischem „Alles oder Nichts“-Denken und scheitern an der eigenen Schwarz-Weiß-Malerei. Wer einmal einknickt und „sündigt“, wirft die Vorsätze und Pläne gleich komplett über Bord, weil wir es ja „nicht geschafft“ haben. Dabei klingt es fast schon albern, an einem harmlosen Genussmittel wie einem Eis zu scheitern, oder? Eis ist keine Sünde. Wenn wir es uns gönnen, sollten wir es mit einer positiven Haltung genießen und es auch nicht bereuen.
Akzeptieren
Zum Zweiten sollten wir den Vorsatz einer Verhaltensänderung nicht als gescheitert ansehen, nur wenn wir eine halbe Tafel Schokolade gegessen haben. Das kann nach einem harten Tag einfach passieren – schließlich sind wir keine Roboter. Kleine Sünden können und sollten sogar bewusst eingeplant werden, denn diese gehören genauso dazu. Und ganz ehrlich: zu jeder Änderung gehören irgendwie auch Rückfälle – betrachten wir diese als eine Herausforderung, die fester Bestandteil des Weges sind.
Praxisleitfaden – Gewohnheiten ändern nach Stefan Mai
Gewohnheiten machen bis zu 50 % unseres Alltages aus. Wenn es Gewohnheiten nicht gäbe, wäre unser Leben ziemlich anstrengend und ineffizient. Uns würde die Energie für Neues fehlen und wir würden über jeden einzelnen Handschlag nachdenken. Nichtsdestotrotz hat jeder von uns Gewohnheiten, die er nur allzu gern ablegen würde. Die eine wiegt dabei mehr als die andere. Der Autor Stefan Mai hat einen kleinen Ratgeber dazu verfasst und erklärt in einfachen Schritten, wie ich eine lästige Gewohnheit am besten in eine gute neue Gewohnheit umändere.
Grundlagen
Was ist Gewohnheit?
Eine Gewohnheit ist ein regelmäßig wiederholtes Verhalten in einer bestimmten Situation. Das hat durchaus einen Vorteil. In der Gesamtheit erlauben Gewohnheiten eine effiziente Organisation und Bewältigung unseres Alltags. Dies geschieht völlig unbewusst ähnlich einem Autopiloten und erleichtert unser Leben enorm. Gespeichert werden Gewohnheiten in den Basalganglien unterhalb der Großhirnrinde, wo auch Spontaneität, Initiative und Willenskraft sowie das schrittweise Denken verankert sind.
Handeln wir entgegen unserer Gewohnheit, schlagen die Basalganglien Alarm. Denn aus Sicht des Gehirns wird etwas falsch gemacht. Für unser Denkorgan ist es leichter, unser Verhalten zu korrigieren, als den Gewohnheits-Speicher umzuschreiben. Dieser neurologische Prozess verhindert also, dass wir Gewohnheiten leichtfertig ändern oder ablegen können. Das bringt die Struktur und damit den Halt in unserem Alltag in Gefahr.
Wie erkenne ich Gewohnheiten, damit ich sie ändern kann?
Um schlechte Gewohnheiten zu ändern, bedarf es zuallererst einer tiefergehenden Analyse unseres Alltags. Zwei Fragen sollten dabei ziemlich einfach und klar beantwortet werden:
- Wieso will ich die Gewohnheit ändern?
- Geht der Wunsch von mir aus?
Nur wer wirklich selbst etwas verändern möchte, hat eine gute Chance darauf, das Vorhaben in die Praxis umzusetzen. Das Gehirn unterscheidet nicht zwischen guten und schlechten Gewohnheiten und wird alles daransetzen, die Veränderung zu boykottieren. Das erklärt auch, warum sich so mancher gute Wille in der Anfangszeit einfach nicht gut anfühlen will.
Jede Gewohnheit folgt dabei einem festen Schema, das unbewusst bzw. automatisch abläuft. Auf einen Auslöser (Tasse Kaffee holen) folgt eine Handlung (Schublade aufmachen, Schokolade herausholen und essen), die zu einem gewünschten Ergebnis oder einer Belohnung führt (lecker). Für die Ursachenforschung ist eines aber schwierig: wann der Auslöser das erste Mal aus welchen Gründen zu der konkreten Handlung führte, ist nicht immer nachvollziehbar.
Meistens ist die Ursache in einer der folgenden 5 Faktoren zu suchen:
- Ort (Schublade mit Schokolade ist im Büro)
- Zeit (nachmittags um 15 Uhr trinke ich immer Kaffee)
- emotionaler Zustand (nachmittags ist es stressig)
- andere Menschen (meine Kollegen trinken und essen mit)
- direkt vorangegangenes Verhalten (ich hole Kaffee, der mir eigentlich zu bitter ist)
Als Ergebnis sendet unser Gehirn die Rückkopplung Belohnung.
Wie kann ich Gewohnheit erfolgreich ändern?
Im ersten Schritt müssen wir die Gewohnheit konkret benennen. Gerade die unerwünschten Verhaltensweisen klar zu formulieren, ist dabei nicht immer leicht. Hierzu gehört eine große Portion Einsicht.
Im nächsten Schritt geht es darum, die Auslöser für das Verhalten zu analysieren. Nur wer die tiefer liegenden Gründe erforscht, kann nach möglichen Alternativen suchen. Wenn ich Schokolade esse und die Gründe dahinter nicht verstehe, wird mich ein Apfel als Alternative niemals befriedigen.
- Formulieren Sie die Gewohnheit, die Sie ändern möchten, klar und deutlich.
- Erforschen Sie die Gründe für Ihr Verhalten und notieren Sie mögliche Ursachen unbedingt schriftlich.
- Hängt das Verhalten mit einem bestimmten Ort zusammen?
- Ist die Gewohnheit mit einer bestimmten Uhrzeit verbunden?
- Welche Gefühle und Gedanken begleiten diese Gewohnheit?
- Sind andere Menschen in das unerwünschte Verhalten involviert?
- Was tue ich unmittelbar vor der gewohnten Handlung?
Bei Schritt 3 überprüfen Sie jede Annahme in der Praxis. Das heißt auch, dass Sie zu diesem Zeitpunkt Ihrer Gewohnheit weiterhin nachgehen. Der Unterschied besteht darin, dass Sie jeden möglichen Auslöser ändern, Ihre Gefühle dazu schriftlich notieren und dabei überprüfen können, ob das Bedürfnis, der regulären Handlung nachzugehen, bestehen bleibt. Dann müssen Sie weiterforschen. Umso genauer und tiefer Sie die Ursachen aufspüren, umso realistischer werden alternative Handlungen. Denn die neue Verhaltensweise muss realistisch sein.
Dabei gelangen wir zu einem Knackpunkt für eine erfolgreiche Änderung einer Gewohnheit. Unserem Gehirn fällt es leichter, eine bestehende Gewohnheit zu ändern, als diese ersatzlos zu streichen. Daher ist es ratsam, sich Alternativen zu überlegen. Diese Alternative muss dabei ebenso konkret wie möglich sein. „Nachmittags spazieren gehen“ ist zu unkonkret und gibt keinen Halt und keine Struktur. Besser wäre: Ich gehe jeden Tag im Büro um 15 Uhr für 15 Minuten spazieren. Das heißt auch: Das tue ich bei Regen, bei Kälte, wenn der Chef anruft oder ich müde bin. Ausreden werden von vornherein ausgeschlossen. Das ist vor allem für den Zeitraum wichtig, bis die neue Gewohnheit im Kopf gespeichert und geschrieben ist.
Damit sind wir beim nächsten Knackpunkt: Es kann sehr lange dauern, bis eine alte Gewohnheit umgeschrieben ist. Das hängt davon ab, wie lange und wie komplex die alte Gewohnheit ist und welche Gefühle damit verbunden sind. Das kann sich von wenigen Wochen über mehrere Monate ziehen. Der Autor Stefan Mai spricht von einem Zeitraum zwischen 14 und 400 Tagen. Wichtige Hilfsmittel dabei sind:
- Umgehen Sie Stolperfallen (wenn ich keinen Kuchen mehr beim Bäcker kaufen will, sollte ich beim Bäcker vielleicht gar nicht erst vorbeikommen).
- Ändern Sie die alte Gewohnheit ab (ich esse im Café keinen Kuchen, sondern einen Joghurt mit Früchten oder trinke einen guten Kakao).
- Lassen Sie andere teilhaben oder laden Sie Ihre Freunde oder Kollegen zum Mitmachen ein.
Auch die Erfolge sollten Sie schriftlich festhalten.
Einflussfaktoren
Vergleichen Sie sich dabei nicht mit anderen. Das Ändern lang eingesessener Gewohnheiten ist sehr individuell und hängt von vielen Faktoren ab. Einige sind zum Beispiel:
Disziplin, Einstellung
Die Fähigkeit zur Disziplin ist individuell unterschiedlich. Umso weniger diszipliniert Sie sind, umso mehr Bedeutung kommt Ihrer Einsicht zu. Eine positive Einstellung („Ich schaffe das“) kann mangelnde Disziplin besser ausgleichen.
Art der Gewohnheit
Eine kleine, weniger komplexe Gewohnheitsänderung erfordert auch weniger Durchhaltevermögen und Motivation. Kleine Dinge können Sie sich in sehr kurzer Zeit angewöhnen. Komplexe Gewohnheiten benötigen entsprechend mehr Zeit.
„Alter“ der Gewohnheit
Eine Gewohnheit, die Sie viele Jahre begleitet, wird sich nur schwer abändern lassen. Eine frische Gewohnheit hingegen lässt sich auch zügig wieder umschreiben. Deshalb ist es auch leichter, eine neu gewonnene, aber unliebsame Unart erst gar nicht zur Gewohnheit werden zu lassen.
Ändern versus Weglassen Gewohnheit
Unserem Gehirn fällt es leichter, eine bestehende Gewohnheit umzuschreiben, als diese gänzlich zu streichen. Deshalb neigen Raucher auch eher dazu, dem Rauchen durch Ersatzbefriedigungen Herr zu werden. Planen Sie also von vornherein die Situationen, in denen Sie der Gewohnheit nachgehen, ein und überlegen Sie sich Alternativhandlungen, mit denen Sie gut leben können.
Grund der Gewohnheits-änderung
Etwas zum Jahreswechsel zu ändern, ist meist eher eine „gewohnte“ Art, das neue Jahr anzugehen als ein ernstgemeinter Vorsatz. Leichter ist es, die gewünschte Änderung an eine Situation anzupassen, in der der Zeitpunkt auch geeignet ist.
Talent
Umso leichter mir eine Änderung fällt und gelingt (z.B. Klettern gehen), umso größer ist die Wahrscheinlichkeit für regelmäßige Erfolgserlebnisse und damit auch zur Motivation, es zur Gewohnheit werden zu lassen. Umso schwerer mir etwas fällt, umso bewusster sollte ich mir darüber sein, dass ich länger durchhalten und Geduld mitbringen muss.
Zeitpunkt
Zu bestimmten Zeitpunkten (Joggen im Frühling, Salat essen vor dem Sommerurlaub) fallen Änderungen leichter als zu anderen (Verzicht auf Kekse zu Weihnachten). Manchmal kommt der perfekte Zeitpunkt durch ein Schlüsselerlebnis, auch negativer Natur (Schmerzen durch zu wenig Bewegung). Suchen Sie versteckte Nutzwerte für den Zeitpunkt, zu dem Sie etwas ändern wollen.
Vorbereitung
Wer gut vorbereitet ist, umgeht von vornherein mehr Stolperfallen als Unvorbereitete. Umfassende Änderungen wie das Aufgeben von Essgewohnheiten benötigen konkrete Maßnahmen im Alltag wie das Planen und Einkaufen von Lebensmitteln bzw. Mahlzeiten. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um die erwünschte Verhaltensweise in Ihren Alltag einzupassen.
Nutzwert
Jede Gewohnheit folgt einem Nutzwert. Nur dieser mag nicht immer der Richtige für uns sein. Suchen Sie nach Nutzwerten für Ihre neue Gewohnheit. Ein Spaziergang bedeutet nicht nur Bewegung, sondern auch Entspannung, kurbelt die Vitamin D-Produktion an und versorgt uns mit frischer Luft und Sauerstoff.
Für mich oder andere
Wer sich ändern will, um anderen zu gefallen oder etwas Gutes zu tun, selbst aber nicht ausreichend dahintersteht, wird es schwer haben. Nur wer selbst motiviert ist und die Änderung vor allem für sich anstrebt, hat gute Erfolgsaussichten.
Flexibilität
Grundsätzlich fallen Änderung denjenigen leichter, die ihren Alltag des Öfteren ändern. Umso häufiger ich mich auf neue Situationen einstellen muss, umso leichter werden mir diese mit der Zeit fallen. Versuchen Sie also regelmäßig kleine Änderungen in Ihren Alltag einzubauen. So lässt sich die Flexibilität des Gehirns trainieren.
Wiederholungseffekt
Je öfter ich einer neuen Verhaltensweise nachgehe, desto leichter fällt mir diese. Planen Sie daher von Beginn an, das Wunschverhalten regelmäßig in die Tat umzusetzen. Das Gehirn wird diesen Prozess mit jeder Wiederholung besser kennenlernen und einen „Weg“ dafür anlegen, der sich mit jedem Mal leichter beschreiten lässt.
Eine neue Gewohnheit beginnt immer mit einer Entscheidung – Ihrer Entscheidung. Und wenn diese mit der Zeit verblasst, um so öfter Sie die Entscheidung getroffen haben, umso mehr wird die Handlung zur Gewohnheit. Zur Motivation für schwerere Tage sollten Sie die Entscheidung notieren und sich immer wieder bewusstmachen.
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