Empfohlenes Vorgehen für eine angestrebte Gewichtsabnahme
1. Realistische Ziele setzen
Es ist angebracht, zusammen mit dem Patienten realistische Therapieziele zu formulieren und übertriebene Erwartungen zu relativieren. Überehrgeizige Ziele stellen den Therapieerfolg infrage und dämpfen rasch die Motivation, was nicht selten zum Abbruch sämtlicher Therapiemaßnahmen führt.
Zwar locken diverse Werbeanzeigen immer wieder mit garantierten Gewichtsverlusten von mehreren Kilogramm pro Woche und beeindruckenden Vorher-/ Nachher-Fotos. Dem Patienten sollte allerdings verdeutlicht werden, dass solche Therapieerfolge auf gesundem Wege kaum zu realisieren sind.
Insbesondere mit steigendem Alter und nachlassender Stoffwechselaktivität wird eine Gewichtsabnahme bis auf das „Normalgewicht“ zunehmend schwieriger. Gleiches gilt auch für extrem adipöse Patienten, die nicht nur eine Vergrößerung der Fettzellen, sondern auch eine deutliche Erhöhung der Anzahl der Fettzellen aufweisen.
2. Etappen- und Teilziele formulieren
Mit steigendem Adipositasgrad und Alter wird das Erreichen eines „Idealgewichts“ zunehmend unwahrscheinlicher. Zusammen mit dem Patienten ist daher ein erreichbares Ziel festzulegen, das sowohl im Umfang des Gewichtsverlustes als auch für den veranschlagten Zeitraum realistisch ist (z. B. Reduktion des Ausgangsgewichts um 10-20 % im Zeitraum von 1 bis 3 Jahren). Hilfreich ist es zudem, einzelne Etappenziele zu formulieren, da Teilerfolge motivieren. Dabei kann es sich beispielsweise um verbesserte Messwerte von Blutdruck oder Blutzucker, eine kleinere Konfektionsgröße oder auch eine Engerstellung des Gürtels handeln.
3. Gewichtsstabilisierung
Bereits die Stabilisierung des bestehenden Gewichts und das Vermeiden einer weiteren Zunahme kann als Erfolg gewertet werden.
Anpassen der Gewichtsabnahme berücksichtigen
Dem Patienten ist zudem zu verdeutlichen, dass mit sinkendem Gewicht die weitere Gewichtsabnahme immer langsamer verläuft. Mit abnehmender Körpermasse sinkt gleichzeitig auch der Grundumsatz, sodass das Energiedefizit bei gleichbleibender Kalorienzufuhr immer geringer ausfällt. Gleichzeitig kommt es zu einer allmählichen Anpassung des Stoffwechsels an die verringerte Energiezufuhr, was das Energiedefizit zusätzlich schmälert.
Rechenbeispiel
Unter einer energiereduzierten Kost kommt es in der Regel in den ersten Tagen zu einem schnellen Gewichtsverlust, der bei vielen Patienten falsche Hoffnungen weckt. Denn dieser resultiert in erster Linie aus dem Abbau der schnell mobilisierbaren Glykogenspeicher sowie oftmals auch aus einem Verlust an Wasser.
Um dem Patienten ein realistisches Bild zu vermitteln, welcher Gewichtsverlust unter medizinisch vertretbaren Bedingungen wöchentlich erreichbar ist, kann ein Rechenbeispiel herangezogen werden.
Wenn der physiologische Brennwert des menschlichen Fettgewebes etwa 7.000 kcal pro kg beträgt, ist folglich zum Verbrennen eines Kilogramms Fettmasse ein Energiebedarf von 7.000 kcal notwendig. Mit einem Energiedefizit von 1.000 kcal durch eine kalorienreduzierte Ernährung wäre in einer Woche theoretisch maximal ein Fettgewebeverlust von 1 kg erreichbar.
Grobrechnung (kann individuell stark schwanken)
- 1 kg Körperfett = ca. 7.000 kcal
- tägliches Energiedefizit von 500 kcal: Verlust von 1 kg Fettmasse in 14 Tagen
- tägliches Energiedefizit von 1.000 kcal: Verlust von 1 kg Fettmasse in 7 Tagen
Als realistischer Gewichtsverlust sollten maximal 0,5 bis 1 kg pro Woche veranschlagt werden. Der menschliche Körper ist ein dynamisches System, dessen komplexe biologische Vorgänge sich nur vage berechnen lassen.
Effekte einer Gewichtsabnahme
Gesundheitliche Folgen eines zu schnellen Gewichtsverlustes
Stress
Ein zu rascher Gewichtsverlust ist aus gesundheitlicher Sicht möglichst zu vermeiden. Trotz der auf lange Sicht zu erwartenden gesundheitlichen Vorteile bedeutet der Abbau von Fettmassen kurzfristig eine erhebliche Stressbelastung für den Körper – insbesondere für die Leber. Durch die Lipolyse werden in hohem Maße Fettsäuren aus dem Fettgewebe freigesetzt, die das Blut überschwemmen und in der Leber weiterverarbeitet werden.
Gelenke
Infolgedessen verringert sich der Blut-pH-Wert, wodurch sich beispielsweise Gichtbeschwerden verschlechtern können. Dieser Umstand kann zusätzlich durch die beim Abbau von Zellen anfallende Harnsäure verstärkt werden. Auf der anderen Seite ist die Verstoffwechselung der Fettsäuren in der Leber limitiert, sodass es zu einer Ansammlung dieser und damit verbunden zur Schädigung von Lebergewebe kommen kann.
Das vermehrt freigesetzte Cholesterin gelangt über die Leber in die Galle, was die Gallensteinbildung stimuliert. Eine drastische Reduktion der Fettzufuhr kann diese Entwicklung zusätzlich verstärken, da durch die fehlende Fettverdauung die Galle in der Gallenblase verbleibt.
Zu bedenken ist auch, dass das Fettgewebe auch Speicherort von fettlöslichen Substanzen wie Abbauprodukten von Medikamenten oder Umweltgiften ist. Diese gelangen ebenfalls in die Blutbahn, um von den Entgiftungsorganen eliminiert zu werden. Besonders für die Leber bedeutet der schnelle Abbau von Fettgewebe folglich eine Doppelbelastung.
Weitere Effekte
Nach einer Gewichtsabnahme können einerseits Appetit bzw. Hunger ansteigen und andererseits das Sättigungs- bzw. Völlegefühl nachlassen. Dies ist mit erhöhten Konzentrationen am sogenannten Hungerhormon Ghrelin sowie niedrigeren Konzentrationen verschiedener Sättigungs- und Verdauungshormone (z. B. Cholecystokinin) zu erklären [DeB 2020].
Die beobachteten Effekte stellen eine Anpassung des Körpers an ein niedrigeres Körpergewicht dar und halten über einen bestimmten Zeitraum an. Dieser Zeitraum wiederum hängt vom Ausgangsgewicht und der Stärke bzw. Dauer der Gewichtsabnahme ab und kann bis zu 62 Wochen anhalten [Fes 2021].
Die Effekte scheinen aber in Abhängigkeit der gewählten Ernährungsform zu variieren. So zeigen Studien, dass die ketogene Ernährung bei einer Gewichtsabnahme nicht zu ansteigenden Ghrelinspiegeln führt und keinen vermehrten Appetit oder Hunger auslöst. Dies könnte auf die Wirkung von Ketonkörpern wie der Beta-Hydroxybuttersäure zurückzuführen sein [Dee 2020].
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