Die Gicht ist eine sehr schmerzhafte Erkrankung der Gelenke, die durch die Ablagerung von Harnsäurekristallen infolge erhöhter Harnsäurespiegel (Hyperurikämie) verursacht wird. Lange Zeit wurde Betroffenen mit Hyperurikämie und Gicht eine moderat bis streng purinarme Diät verordnet. Die Diät wurde von vielen jedoch nicht lange durchgehalten. Zudem war der Erfolg nur mäßig. Heute wird die Ernährung bei Gicht auf die Person zugeschnitten und in Abhängigkeit der Ursachen und Ernährungsmuster individuell gestaltet.
Klinik und Folgen im Überblick
Krankheitsbild
Definition und Häufigkeit
Die Gicht ist eine in Schüben auftretende, sehr schmerzhafte Erkrankung, die durch die Ablagerung von Harnsäurekristallen an Gelenken, Geweben und Organen infolge erhöhter Harnsäurespiegel (Hyperurikämie) verursacht wird.
- Hyperurikämie = asymptomatisch erhöhter Harnsäurespiegel
- Gicht = erhöhter Harnsäurespiegel und Beschwerden wie Tophi und/oder Schmerz in Form eines Gichtanfalls
- Synonyme: Zipperlein, Arthritis urica
Die Erkrankung tritt oft zusammen mit Adipositas, Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörungen auf und zählt daher auch zu den Kennzeichen des metabolischen Syndroms.
Die Prävalenz der Hyperurikämie wird auf ca. 15 % und der manifesten Gicht auf etwa 1-2 % geschätzt (Medizin kompakt). Männer sind zwar häufiger betroffen, aber auch bei den Frauen nimmt die Zahl an Erkrankungen zu. Zwischen 1990 und 2017 stieg die Zahl der betroffenen Personen stetig an [Xia 2020].
Formen und Ursachen
Primäre Gicht (95 %)
Bei der primären Gicht handelt es sich um einen angeborenen Fehler im Harnsäurestoffwechsel aufgrund einer
- verminderten Harnsäureausscheidung oder
- gesteigerten Harnsäurebildung (Enzymdefekte wie Lesch-Nyhan-Syndrom oder Kelley-Seegmiller-Syndrom)
Die Gicht manifestiert sich durch bestimmte Risikofaktoren (siehe Risikofaktoren).
Sekundäre Gicht (5 %)
Die sekundäre Gicht tritt infolge einer Grunderkrankung auf, aufgrund einer
- verminderten Harnsäureausscheidung (chronische Niereninsuffizienz, Azidosen) oder
- gesteigerten Harnsäurebildung (durch einen vermehrten Zelluntergang (starke Verbrennungen oder Verletzungen, Leukämien, Polyzythämien, Tumoren unter Zytostatika-/ Strahlentherapie, Psoriasis, hämolytische Anämie) oder
- Ketozidose (Fasten, dekompensierter/ entgleisender Diabetes mellitus) oder
- Vergiftung (Blei, Kohlenmonoxid)
Risikofaktoren
Erkrankungen, Medikamente, Ernährung, Lebensstil- und Umweltfaktoren erhöhen das Gichtrisiko und/oder können zu einer Manifestation führen.
- Erkrankungen: Übergewicht, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus
- Medikamente: Laxanzien, Diuretika, NSAR, Zytostatika
- Ernährung: purinreiche tierische Lebensmittel, hoher Alkoholkonsum, unzureichende Vitamin C-Zufuhr (Männer), Fasten
- Lebensstil: Stress, extreme körperliche Belastung
- Umweltfaktoren: Alter, männliches Geschlecht, Frauen in der Menopause
Entstehung
Der grundlegende Mechanismus einer Gichterkrankung ist ein Ungleichgewicht im Purinstoffwechsel, das zu einer Erhöhung der Harnsäurekonzentration im Blut führt. Erhöhte Harnsäurespiegel führen zur Ablagerung von Uratkristallen in Gelenken, Geweben und Organen, was zu starken Schmerzen und Entzündungen führt.
- Durch Nahrung und Zellabbau anfallende Purine werden in der Leber in Harnsäure umgewandelt, um anschließend über die Nieren ausgeschieden zu werden.
- Bis zu einem Harnsäurespiegel von etwa 6,8 mg/dl im Blut liegt Harnsäure in gelöster Form vor. Wird dieser Wert durch eine gesteigerte Harnsäurebildung oder eine verminderte Ausscheidung überschritten, fällt die Harnsäure in kristalliner Form aus. Die Löslichkeit ist zudem temperatur- und pH-Wert-abhängig. Stoffwechselvorgänge, die zu einer Senkung des pH-Wertes führen, können die Ablagerung von Uratkristallen begünstigen. Besonders eine alkoholbedingte Laktatazidose führt in vielen Fällen zu einem akuten Gichtanfall.
- Ist die Synovialflüssigkeit der Gelenke mit Harnsäure übersättigt, fallen scharfkantige Kristalle aus, die das Gewebe reizen. Dabei werden Entzündungsvorgänge in Gang gesetzt, die zu heftigen Schmerzen führen. Diese Uratkristalle können sich in Gelenken (Gelenkspalt/-knorpel, Synovia, Sehnenscheiden, Schleimbeutel), Geweben und Organen (Nieren, Subkutis) ablagern.
- Die Harnsäurekristalle werden vom Immunsystem als Fremdkörper erkannt und phagozytiert, wodurch es zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren kommt.
Stadien und Symptome
Stadium 1: Hyperurikämie
Die asymptomatische Hyperurikämie zeichnet sich durch einen erhöhten Harnsäurespiegel aus und ist ansonsten unauffällig. Veränderungen der Harnsäurekonzentration werden in diesem Stadium in der Regel nur zufällig entdeckt.
Stadium 2: Akuter Gichtanfall
Ein akuter Gichtanfall tritt meist nachts oder frühmorgens auf und macht sich durch plötzliche, starke Schmerzen in einem Gelenk bemerkbar. Das betroffene Gelenk ist geschwollen, stark gerötet, heiß und druckempfindlich. Auslöser sind häufig vorangegangene üppige Mahlzeiten mit Alkoholgenuss, aber auch Fasten oder Stress. Aufgrund des Entzündungsprozesses wird der Anfall von Fieber begleitet und zeigt sich im Blutbild, neben hohen Harnsäurekonzentrationen, durch vermehrte Bildung weißer Blutkörperchen. In einigen Fällen kommt es zu Herzrasen, Erbrechen und Kopfschmerzen. Ein akuter Gichtanfall erreicht meist nach etwa 2 bis 3 Tagen seinen Höhepunkt und klingt innerhalb von 7 bis 10 Tagen von selbst aus [Wor 2005].
Stadium 3: Interkritische Phase
Hierbei handelt es sich um die Zeitspanne zwischen zwei Gichtanfällen, die wiederum symptomfrei verläuft. Es kann Monate bis Jahre dauern, bis ein neuer Gichtanfall auftritt. Der Harnsäurespiegel ist meist erhöht.
Stadium 4: Chronische Gicht
Bleibt der Harnsäurespiegel aufgrund unzureichender Behandlung weiterhin hoch, lagern sich massiv Harnsäurekristalle ab und führen anfangs zur eingeschränkten Beweglichkeit und mit der Zeit zur Deformation sowie Zerstörung der betroffenen Gelenke. Charakteristisch ist zudem das Auftreten sogenannter Gichtknoten (Tophi), beispielsweise am Außenrand der Ohrmuschel, den Ellenbogen, den Knien, den Händen und den Füßen. Diese schmerzlosen Knoten entstehen durch Ablagerung von Harnsäurekristallen in Gelenk-umgebendes Weich- und Knochengewebe.
Anamnese und Diagnostik
Wichtig ist die Erfassung und Beurteilung des Körpergewichts. Diagnose, Stadium und Symptome entscheiden maßgeblich über die Therapieoptionen. Neben der Harnsäure und dem Blutbild ist auch die Bestimmung von Entzündungsmediatoren hilfreich. Schmerzen, Bewegungsverhalten und Stress beeinflussen Symptomschwere, Häufigkeit und den Therapieerfolg. Bei der Ernährung spielen Purin- und Fettzufuhr sowie die Alkohol- und Fruktoseaufnahme eine große Rolle.
Anhand der erfassten Parameter können zutreffende Ernährungsdiagnosen gestellt werden. Diese wiederum sind die Ausgangsbasis für Ernährungsziele, diätetische Prinzipien und Ernährungsinterventionen.
- Anthropometrische Daten: Körpergewicht, BMI, ggf. Körperzusammensetzung, ggf. Bauchumfang, bei Übergewicht ergänzendes Assessment
- Krankheitsbild und Klinik: Diagnose (Hyperurikämie, Gicht) und Nebendiagnosen (Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Insulinresistenz, Metabolisches Syndrom, Hypertonie); Stadium und Schübe (Anzahl und Häufigkeit); Symptome (Schwellung, Rötung, Gichttophi, Gelenkdeformitäten), Verlauf und Komplikationen; Therapie (bisher, geplant)
- Labordaten und medizinische Untersuchungen: Harnsäure, Blutbild, CRP, BSG
- Klientenanamnese: Bewegungsverhalten, Stress und Stressverhalten, Art, Häufigkeit und Intensität der Schmerzen
- Ernährung: Purinzufuhr, insbesondere aus tierischen Quellen, Vitamin C, Fruktose, Alkohol, Kaffee
Harnsäure
Überschüssige Purine werden vom Körper in Harnsäure umgewandelt, die größtenteils renal ausgeschieden werden. Aufgrund der besseren Löslichkeit liegt Harnsäure als Dinatriumurat (Salzform) vor. Ab einem Harnsäurespiegel von 400 µmol/ l (6,8 mg/ dl) ist das Löslichkeitsgleichgewicht überschritten und die Moleküle beginnen als Uratkristalle auszufällen (Gicht). Scharfkantige Kristalle in der Synovialflüssigkeit der Gelenke führen zu den typischen Gichterscheinungen.
Der Harnsäurespiegel variiert nach Alter, Geschlecht und Tagesrhythmus. Männer weisen allgemein höhere Konzentrationen auf. Bei Frauen erreicht der Blutspiegel aufgrund des Östrogenmangels nach den Wechseljahren einen Maximalwert. Darüber hinaus beeinflusst die Einnahme bestimmter Medikamente die Höhe des Harnsäurespiegels.
Erhöhte Harnsäurewerte können aus einer verminderten Ausscheidung und/ oder einer erhöhten Bildung entstehen. In vielen Fällen sind an der Entwicklung einer Hyperurikämie mehrere Faktoren beteiligt.
Therapie
Hyperurikämie und Gicht sind zu großen Teilen auf den westlichen Lebensstil zurückzuführen. Dabei kann zwischen verschiedenen Phänotypen unterschieden werden, die sich hinsichtlich ihrer Komorbiditäten unterscheiden. Prof. Choi von der Harvard Medical School schlägt eine Phänotyp-spezifische Therapie vor (Quelle: Bald personalisierte Therapie der Gicht möglich?)
- Phänotyp 1 mit isolierter Gicht: nicht-pharmakologische Therapie in Form einer gesunden Ernährung (DASH- oder mediterrane Diät), die an die individuellen/kulturellen Nahrungsmittelpräferenzen anzupassen ist
- Phänotyp 2 mit Übergewicht und Hypertonie: DASH-Diät + Gewichtsreduktion + körperliche Aktivität + medikamentöse Therapie (Losartan, Calciumkanal-Blockern und eventuell SGLT2-Inhibitoren)
- Phänotyp 3 mit zusätzlich Typ-2-Diabetes: mediterrane Diät + Gewichtsreduktion + körperlicher Aktivität + medikamentöse Therapie (SGLT2-Inhinbitor)
- Phänotyp 4 mit Fettstoffwechselstörungen: mediterrane oder DASH-Diät (reich an Proteinen und ungesättigten Fettsäuren) + medikamentöse Therapie (Fenofibrat und eventuell SGLT2-Inhibitor)
- Phänotyp 5 mit kardiovaskulärer Erkrankung und chronischer Nierenerkrankung: mediterrane Diät + Nierenschutztherapie + medikamentöse Therapie (SGLT2-Inhibitor und Losartan)
Sofern möglich, sollten Arzneimittel, welche nachweislich zur Entstehung einer Hyperurikämie beitragen, vermieden oder in der Dosierung reduziert werden. Hierzu zählen Entwässerungsmittel (Diuretika), Aspirin in geringer Dosis, Niacin (ein Vitamin), L-Dopa sowie Tuberkulose-Medikamente.
Folgeerkrankungen und Komplikationen
Allgemeines
GichtpatientInnen sind einem erhöhten Mortalitätsrisiko ausgesetzt. Gicht-Patienten haben zu über 50 % zusätzlich eine Hypertonie und zu 40 % ein metabolisches Syndrom oder einen Diabetes mellitus. Insgesamt haben Gicht-Patienten ein um etwa 25 % höheres Mortalitätsrisiko als Menschen ohne erhöhte Harnsäurewerte. Harnsäure aktiviert das Inflammasom und entzündliche Prozesse [Lot 2012].
Übergewicht wird als wesentlicher Risikofaktor der Gicht [Cho 2005]. Eine Gewichtsabnahme ist dann integraler Bestandteil der Therapiemepfehlungen. Neben der Senkung der Harnsäurewerte wirkt sich eine Gewichtsreduktion auch auf das Risiko von Komorbiditäten und Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen positiv aus.
Eine Ernährungsumstellung mit moderater Gewichtsreduktion senkt die Anzahl der Gichtanfälle [Cho 2005]. Die Gewichtsabnahme sollte langsam erfolgen (max. 2 kg/Monat).
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Es besteht ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.
Unter erhöhten Harnsäurewerten sinkt die Konzentration am gefäßschützenden Stickstoffmonoxid (NO) ab. Damit schädigen die pathologischen Gichtprozesse die Gefäße direkt. Eine harnsäuresenkende Therapie wirkt sich positiv auf den Gefäßstatus, das kardiovaskuläre Risiko und den Blutdruck aus [Joh 2005].
Nierenerkrankungen
Das größte Risiko besteht für zum Teil schwerwiegende Erkrankungen der Nieren.
- Harnsäurenephrolithiasis (Nierensteine)
- Gichtniere
- akute Harnsäurenephropathie
Diätetische Prinzipien und Kostformen
Ernährungsziele und Prinzipien
Ernährungsziele
Das Ziel der Langzeittherapie ist eine dauerhafte Senkung des Harnsäurebestandes im Körper, um einerseits erneute akute Anfälle zu vermeiden bzw. die Langzeitschäden einer chronischen Gichterkrankung einzuschränken. Die Ernährungstherapie gilt dabei als Basis der Behandlung, da diese auch ohne medikamentöse Behandlung die Harnsäurekonzentration bereits zu senken vermag und die Wahrscheinlichkeit erneuter akuter Gichtanfälle minimiert.
kurzfristige Ziele:
- Schmerzlinderung
- Entzündungshemmung
- Senkung der akuten Harnsäurelast
mittelfristige Ziele:
- Verlängern des Zeitintervalls zwischen zwei Gichtanfällen oder besser
- Vorbeugen künftiger Gichtanfälle
- Reduzieren/ Absetzen von Medikamenten
- bei Übergewicht: Gewichtsabnahme
langfristige Ziele:
- dauerhafte Senkung des Harnsäurebestandes im Körper (<6,0 mg/dl [Eng 2017])
- Verhindern der Entstehung von Tophi (Gichtknoten), Nierensteinen und anderen Nierenerkrankungen bzw. Komplikationen
- bei Übergewicht: weitere Gewichtsabnahme mit anschließender Gewichtsstabilisierung
Diätetische Prinzipien
- purinreduzierte Zufuhr (tierische Quellen)
- ausreichend Flüssigkeit
- eingeschränkter Alkohol- und Fruktosekonsum
Untersuchte Kostformen
Vergleich verschiedener Kostformen
In einer groß angelegten Studie, die seit 1976 ca. 121.700 Frauen einschließt, wurde die Ernährung auf das individuelle Gichtrisiko hin untersucht [Yok 2022]. Empfohlen wurden den Frauen die DASH-Diät, die mediterrane Ernährung, der „Alternative Healthy Eating Index“ (AHEI) sowie die “Prudent diet“ (Fett- und cholesterinrestriktiv).
Allen Ernährungsweisen gemein ist ein höherer Verzehr von Gemüse von Obst sowie Vollkornprodukten. Die DASH-Diät empfiehlt zusätzlich fettarme Produkte und rät von zuckergesüßten Getränken ab.
Das Gichtrisiko ließ sich mit allen 4 Ernährungsformen senken. Den besten Effekt erzielte die DASH-Diät (-32 %), gefolgt von der “Prudent diet“ (-25 %), dem AHEI (-21 %) sowie der mediterranen Ernährung (-12 %). Bei der typisch westlichen Ernährung mit einem hohen Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch, raffiniertem Getreide, Süßigkeiten, Desserts sowie fettreichen Milchprodukten stieg das Risiko hingegen um 49 %.
10 evidenzbasierte Lebensstilempfehlungen
Die Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (ÖGR) hat 10 evidenzbasierte Lebensstilempfehlungen bei Gicht formuliert.
- Purinreiches Fleisch (Rind, Schwein, Lamm sowie Innereien) ist nur selten und nur in geringen Mengen zu verzehren. Purinreiches Gemüse ist hingegen unbedenklich. Evidenz: III
- Meeresfrüchte (Krustentiere und Muscheln) sollten nur selten gegessen werden. Fisch als Bestandteil einer herzgesunden Ernährung sollte 1-2x wöchentlich auf dem Speiseplan stehen. Evidenz: III
- Bier und Spirituosen sind generell zu meiden, Wein stellt für Gicht das geringste Risiko dar und kann gelegentlich genossen werden. Evidenz: III
- Fruktosereiche Lebensmittel (Softdrinks, Fruchtsäfte und Obst mit hohem Fruchtzuckergehalt) sollten besser gemieden werden. Light-Getränke sind bei Gicht indes unbedenklich. Evidenz: III
- Der regelmäßige Verzehr von Milchprodukten wird empfohlen. Evidenz: Ib
- Die ausreichende Aufnahme von Vitamin C sollte gewährleistet sein. Die Aufnahme sollte 1 g täglich nicht überschreiten. Evidenz: Ib
- Der regelmäßige Genuss von Kaffee (bis 4 Tassen täglich) kann sich positiv auf den Harnsäurespiegel auswirken. Evidenz: III
- Es wird regelmäßiges körperliches Training (mind. 2-3x/Woche) empfohlen. Evidenz: III
- Gewichtszunahme/ steigendes Übergewicht sollte möglichst vermieden werden.
- Eine angestrebte Gewichtsabnahme (bei Männern) sollte langsam erfolgen. Evidenz: I
Weitere Informationen zu den Literaturangaben sind auf der Website der ÖGR erhältlich.
Strenge Diäten sowie Fasten gelten als Auslöser von akuten Gichtanfällen. Von strengen Diäten und Fastenkuren ist abzuraten, da hier in erster Linie Muskelmasse und damit Eiweiß abgebaut wird, was zu einer zusätzlichen Harnsäurebildung führt. Zudem entwickelt sich während der Hungerphasen häufig eine Ketoazidose. Der verminderte pH-Wert fördert zusätzlich die Ablagerung von Uratkristallen [Wil 2008].
Energie, Nährstoffe und Flüssigkeit
Die hier vorgestellten Aspekte fokussieren nicht die Gewichtsabnahme, sondern eine reduzierte Harnsäurelast im Körper bzw. eine erhöhte Ausscheidung von Harnsäure. Maßnahmen bei Übergewicht sind unter → Adipositas und Übergewicht – Ernährungstherapie nachzulesen.
Alkohol gilt als Auslöser für akute Gichtanfälle. Beim Abbau entsteht vermehrt Milchsäure. Der Anstieg der Blutlaktatkonzentration hemmt die Harnsäureausscheidung empfindlich. Zudem stimuliert Alkohol die Harnsäurebildung in der Leber und fördert nachweislich die Bildung von Harnsäure bzw. verschlechtert deren Ausscheidung.
Der Konsum sollte nach Möglichkeit gemieden bzw. nur maximal ein alkoholisches Getränk am Tag genossen werden. Leitlinien sprechen sich für mindestens 3 alkoholfreie Tage pro Woche aus. Auf Biergetränke sollte verzichtet werden.
Eine hohe Zufuhr gesättigter Fettsäuren kann den Fettstoffwechsel ungünstig beeinflussen und eine bestehende Insulinresistenz verstärken. Das wiederum führt zu einem Anstieg der Harnsäurekonzentration [Cho 2004].
Die Gesamtfettzufuhr spielt eher eine untergeordnete Rolle, da sich mehrfach ungesättigte sowie Omega-3-Fettsäuren durchaus positiv auf das Krankheitsgeschehen auswirken können. Die Fettqualität ist somit relevanter als die absolute Fettmenge.
Um Harnsäure ausscheiden zu können, benötigen die Nieren ausreichend Flüssigkeit. Harnsäure wird hauptsächlich über den Harn ausgeschieden. Bei höherer Flüssigkeitszufuhr steigt die Harnmenge und in der Folge die Ausscheidung von Harnsäure.
Gichtpatienten wird eine Flüssigkeitsaufnahme von >2 Liter pro Tag empfohlen. Insbesondere hydrogenkarbonatreiche (alkalisierende) Mineralwässer erhöhen den pH-Wert des Urins und verbessern die Harnsäureausscheidung.
Fruktose (Fruchtzucker) ist der einzige Zucker, der den Harnsäurespiegel im Plasma erhöht. Fruktose wird zu ADP umgebaut, das dann in Purin und Harnsäure zerfällt. Die Studiengruppe Choi et al. bewies, dass ein fruktosehaltiges Süßgetränk das Risiko, Gicht zu bekommen, um bis zu 45 % steigern kann [Cho 2007].
Die erhöhten intrazellulären AMP-Spiegel aktivieren den Abbau zu Harnsäure. Je höher die aufgenommene Fruktosemenge, umso mehr Harnsäure entsteht. Bereits Dosen unterhalb von 0,5 g Fruktose/ kg Körpergewicht können diesen Stoffwechselweg auslösen, insbesondere bei Kindern [Seg 2007].
Einige Untersuchungen am Menschen zeigten einen dosisabhängigen Anstieg des Harnsäurespiegels nach fruktosereichen Softdrinks verbunden mit einem erhöhten Gichtrisiko. Andere fanden diesen Zusammenhang lediglich bei Männern [Joh 2009]. Dabei stieg der Harnsäurespiegel nach Fruktoseaufnahme um etwa 2 mg/ dl innerhalb einer Stunde. Zwar war dieser Anstieg anfangs nur vorrübergehend, nach einigen Wochen erhöhte sich jedoch der Nüchternspiegel [Joh 2009].
Eine hoch glykämische Ernährungsweise kann das Gichtrisiko erhöhen. Insulin hemmt die renale Harnsäureausscheidung [Qui 1995]. Lebensmittel, die zu einer hohen Insulinausschüttung führen, sollten daher nur in geringem Umfang verzehrt werden. Besonders Speisen mit reichlich Zucker oder wenig ausgemahlenem Mehl sollten nicht täglich auf dem Speiseplan stehen.
Purine
Sehr purinreiche Nahrung aus tierischen Quellen erhöht das Risiko für Hyperurikämie und Gichtanfälle [Cho 2004]. Die Harnsäurebildung im Körper kann durch eine Senkung der Nahrungs-Purinzufuhr verringert werden. Eine streng purinarme Diät (>100 mg Purin bzw. 240 mg Harnsäure pro Tag) gilt jedoch als überholt. Eine Risikosenkung wird über das Meiden bestimmter Nahrungsmittel/-gruppen erreicht.
Als Risikofaktoren für die Entstehung von Gicht spielen nur diejenigen Purine eine Rolle, die zu Harnsäure abgebaut werden (Adenin, Guanin, Xanthin und Hypoxanthin). Purine aus Fleisch, Fisch und Schalentieren erhöhen die Harnsäurelast [Vil 2012]. Pflanzliche Purine verhalten sich neutral und solche aus Milchprodukten senken den Harnsäurewert leicht [Vil 2012]. Andere Purine, wie z. B. Koffein, Theobromin und Theophyllin in Kaffee, Tee und Kakao, sind diesbezüglich ohne Bedeutung.
Sehr purinreiche Nahrung aus tierischen Quellen erhöht das Risiko für Hyperurikämie und Gichtanfälle. In einigen Studien zeigte sich, dass hoch dosiertes Vitamin C das relative Risiko für Gicht bei Männern um bis zu 45 % senken kann. Bereits 500 mg senkten bei Männern das Risiko, an Gicht zu erkranken, um 17 % [Joh 2009].
Aspekte zu Lebensmittel/-gruppen
Einige Fischsorten sowie Meeresfrüchte steigern die Harnsäurebildung. Auf Krustentiere sollte verzichtet werden. Fischsorten mit nennenswerten Mengen an Omega-3-Fettsäuren sind zu bevorzugen.
Purin- und fettreiche Fleischerzeugnisse erhöhen die Harnsäurelast im Körper. Auf Innereien sowie Fleischstücke mit Haut sollte verzichtet werden. Mageres Fleisch sollte max. 3-4 x pro Woche auf dem Speiseplan stehen.
Kaffee kann unabhängig vom Koffeingehalt den Harnsäurespiegel senken. Personen, die 4–6 Tassen Kaffee am Tag tranken, hatten um durchschnittlich 0,26 mg/dl niedrigere Harnsäurewerte [Cho 2010].
Die zugrundeliegenden Mechanismen sind noch unklar. Möglicherweise wirken verschiedene Inhaltsstoffe hemmend auf das Enzym Xanthinoxidase und reduzieren hierdurch die Harnsäurebildung. Ein regelmäßiger Kaffeekonsum geht zudem mit einem niedrigeren Insulinspiegel einher [Wu 2005], wodurch die Harnsäureausscheidung steigt [Qui 1995]. Auch kann die entwässernde Wirkung von Kaffee von Vorteil sein, um exzessive Harnsäure auszuscheiden.
Milchprodukte können den Harnsäurespiegel nachweislich senken. Milchprodukte führen sowohl akut [Dal 2010] als auch langfristig zu einer Senkung der Harnsäurewerte und zu einem geringeren Gichtrisiko [Cho 2004].
Zudem tragen diese maßgeblich zur Deckung des Eiweißbedarfs bei, da durch die Meidung größerer Fleisch- und Fischmengen wichtige Eiweißlieferanten fehlen. Gichtpatienten sollten daher 2 Portionen Milch und Milchprodukte zu sich nehmen.
Bestimmte Zusatzstoffe werden im Körper zu Harnsäure abgebaut, was bei Betroffenen bei regelmäßigem hohen Verzehr dieser Zusatzstoffe zu einer Verschlimmerung der Symptome führen kann. In der Kritik stehen vor allem Geschmacksverstärker (E626-E635). Verfügbare Studien wie von [Bel 2014] sind von der Qualität her bislang jedoch nicht überzeugend. Eine generelle Empfehlung zur Begrenzung der Verzehrmenge oder zum Verzicht kann daher aktuell nicht gegeben werden.
Obst/-erzeugnisse (Kirschen)
Kirschen tauchen mitunter als wirksames Mittel zur natürlichen Vorbeugung von Gichtanfällen und zur Senkung des Harnsäurewertes in den Medien auf. Auch Nahrungsergänzungsmittel werden mit vorbeugenden und therapeutischen Effekten beworben.
Die zitierten Beobachtungen stammen unter anderem aus einer Studie mit 633 TeilnehmerInnen [Zha 2012]. Verantwortlich für den Effekt sollen verschiedene Inhaltsstoffe wie Zitronensäure, Vitamin C und Anthocyane sein, die antioxidativ wirksam sind. Nachfolgende Studien waren von der Qualität her bislang jedoch nicht überzeugend [Bel 2014], weshalb auch der Nutzen von Nahrungsergänzungsmittel mit Kirschextrakten nicht fraglich ist [Verbraucherzentrale 2021]. Der maßvolle Genuss von frischen Kirschen hingegen ist durchaus zu empfehlen.
Lebensstil- und Therapiefaktoren
Zusätzlich zur Ernährungsumstellung unterstützt eine Steigerung der körperlichen Aktivität die Gewichtsreduktion und senkt das Gichtrisiko [Wil 2008].
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