Ketogene Diäten (KD) sind sehr fettreiche, kohlenhydratarme Diäten. Ziel ist der Zustand der Ketose, ein dem Fasten nachempfundener Stoffwechselzustand. Hier nutzt der Körper statt Glukose Ketonkörper als alternative Energiequelle. Ketogene Diäten werden bei verschiedenen Krankheitsbildern wie der therapieresistenten Epilepsie im Kindes- und Jugendalter angewendet. Diese Form der Ernährung etabliert sich zunehmend auch in einer breiteren Bevölkerungsschicht.
Prinzipien und Effekte/ Wirkungen
Prinzip
Bei der ketogenen Ernährung nutzt der Körper statt Glukose Ketonkörper als alternative Energiequelle. Dies wird durch eine starke Reduktion der Kohlenhydrazufuhr zugunsten von Fett erreicht.
Ketonkörper entstehen beim Abbau von Fetten (Beta-Oxidation) in der Leber und können von Organen (z. B. Gehirn, Muskulatur) zur Energieversorgung (wenn nicht genügend Glukose vorhanden ist) genutzt werden. Aceton, Acetoacetat und Beta-Hydroxybuttersäure (ß-OH-Butyrat) sind die relevanten Vertreter.
Effekte
Die Fettabbauprodukte wirken vermutlich neuroprotektiv. Durch eine gesteigerte Energieverfügbarkeit im Gehirn soll sich die Widerstandsfähigkeit der Neuronen verbessern, die Zahl reaktiver Sauerstoffspezies reduzieren und die Entzündungsaktivität abnehmen [S1-Leitlinie 2014].
Bei ketogenen Diäten werden Ketonkörperkonzentrationen zwischen 3 und 7 mmol/l erreicht (= Zielwerte).
Einfluss auf Hunger und Sättigung
Nach einer Gewichtsabnahme können einerseits Appetit bzw. Hunger ansteigen und andererseits das Sättigungs- bzw. Völlegefühl nachlassen. Dies ist mit erhöhten Konzentrationen am sogenannten Hungerhormon Ghrelin sowie niedrigeren Konzentrationen verschiedener Sättigungs- und Verdauungshormone (z. B. Cholecystokinin) zu erklären [DeB 2020].
Die beobachteten Effekte stellen eine Anpassung des Körpers an ein niedrigeres Körpergewicht dar und halten über einen bestimmten Zeitraum an. Dieser Zeitraum wiederum hängt vom Ausgangsgewicht und der Stärke bzw. Dauer der Gewichtsabnahme ab und kann bis zu 62 Wochen anhalten [Fes 2021].
Die Effekte scheinen aber in Abhängigkeit der gewählten Ernährungsform zu variieren. So zeigen Studien, dass die ketogene Ernährung bei einer Gewichtsabnahme nicht zu ansteigenden Ghrelinspiegeln führt und keinen vermehrten Appetit oder Hunger auslöst. Dies könnte auf die Wirkung von Ketonkörpern wie der Beta-Hydroxybuttersäure zurückzuführen sein [Dee 2020].
Präventives und therapeutisches Potenzial
Die ketogene Ernährung wird bei bestimmten Formen der Epilepsie sowie bei einigen seltenen Stoffwechselerkrankungen angewendet und ist hier unter fachlicher Aufsicht durchzuführen. Weitere Anwendungsfelder werden derzeit intensiv erforscht und erprobt.
Pharmako-resistente Epilepsie (gesicherte Indikation)
Die ketogene Diät ist bei der pharmakoresistenten Epilepsie im Kindes- und Jugendalter eine anerkannte Therapie [Lev 2012] [Mar 2016].
Die genauen Wirkmechanismen werden noch erforscht. Vermutlich hebt die chronische Ketose das zerebrale Energieniveau und schüttet vermehrt beruhigende/entspannende Neurotransmitter wie die Gamma-Aminobuttersäure (GABA) aus. Auch wird die Bildung freier Sauerstoffradikale gehemmt. Diskutiert werden zudem eine antikonvulsive Wirkung der Kohlenhydratrestriktion sowie der Ketonkörper selbst [S1-Leitlinie 2014]. Wahrscheinlich ist ein summierender Effekt der einzelnen Faktoren, der die Krampfbereitschaft im Gehirn senkt [Bou 2007].
Effekte: Anfallsdauer und -häufigkeit ↓, Vigilanz (Wachheit, Aufmerksamkeit) und Lebensqualität ↑ [Hal 2012]
Dauer: Die Diät sollte etwa 2 Jahre durchgeführt werden. Der antikonvulsive Effekt kann auch nach Absetzen der Diät anhalten [Fre 1998].
Defekte des zerebralen Energiestoffwechsels (Therapie der Wahl)
Mögliche Indikationen sind der GLUT1-Defekt sowie der Pyruvatdehydrogenase-Mangel. Ketonkörper können die Blut-Hirn-Schranke passieren und bei vermindertem Glukosetransport als alternative Energiequelle genutzt werden [Kle 2008].
Dauer: Die Diät ist lebenslang einzuhalten.
Weitere (zunehmend erfolgreiche Anwendung)
Zunehmend gute Erfahrungen gibt es zudem bei:
- West Syndrom [Kan 2011]
- Dravet Syndrom [Veg 2011]
- FIRES (febrile infection-related epilepsy syndrome) [Nab 2010]
- Doose Syndrom [Ber 2012]
- fokale pharmakoresistente Epilepsie zur Überbrückung der Epilepsiechirurgie [Lev 2012]
- Mitochondriopathien mit isoliertem Komplex-I Defekt der Atmungskette [Fin 2010]
Positive Einzelberichte sind zu finden bei:
Studien zeigen vielversprechende Wirkungen hinsichtlich neurologischer Erkrankungen wie ADHS und Migräne – insbesondere wegen der Wirkung auf den Gehirnstoffwechsel, die Freisetzung von Neurotransmittern sowie die neuronale Inflammation.
Klinische Daten weisen darauf hin, dass die fettreiche und extrem kohlenhydratreduzierte Ernährungsform sich in vielerlei Hinsicht positiv auf das Krankheitsgeschehen der Migräne auswirkt [Bar2017] [Pao2013] [Jeo2011] [Goa2002]. So kann eine ketogene Diät das Auftreten einer Migräne möglicherweise verhindern, indem diese neuralen Entzündungen entgegenwirkt und den mitochondrialen Energiestoffwechsel verbessert.
In einer Beobachtungsstudie mit 96 übergewichtigen MigränepatientInnen wurde die Wirkung einer ketogenen Diät mit der einer standardisierten kalorienarmen Diät verglichen [DiL2015]. Nach dem ersten Monat konnte neben einer Gewichtsreduktion eine deutliche Verringerung der Kopfschmerzhäufigkeit und der Medikamenteneinnahme festgestellt werden. Allerdings verschlechterte sich dies vorübergehend in den Folgemonaten mit der Wiedereinführung von Kohlenhydraten. Trotzdem nahmen die Probandinnen weiterhin ab und zeigten nach der Intervention insgesamt noch immer bessere Ergebnisse hinsichtlich der Kopfschmerzhäufigkeit, als zum Zeitpunkt vor der Intervention.
In der anderen Gruppe mit 51 MigränepatientInnen wurden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Kopfschmerzen gezeigt. Die AutorInnen vermuten, dass die positiven Effekte auf die Migräne nicht auf die Gewichtsreduktion im Allgemeinen, sondern vor allem auf die ketogene Diät zurückzuführen sind.
Bei einigen MigränepatientInnen zeigte sich die ketogene Ernährung Berichten zufolge als potenter Entzündungshemmer. Die beobachteten Effekte sind vermutlich mit einem niedrigen Zucker- und Kohlenhydratverzehr, einem hohen Gemüse- und Kräuterkonsum sowie die Verwendung entzündungshemmender Öle und Fette inklusive fettem Seefisch zu erklären.
COVID-19
Ketonkörper sind für die Funktion bestimmter Immunzellen wie T-Helfer- und zytotoxischer T-Zellen wichtig. Diese Zellen wiederum benötigt der Körper bei der Gegenwehr von Virusinfektionen.
Forschende der Universität Bonn fanden heraus, dass Personen mit einer COVID-19-Erkrankung im Vergleich zu anderen Infektionen weniger Ketonkörper im Blut haben [Kar 2022]. Diese bilden sich insbesondere beim Hungern oder Fasten im akuten Stadium. Auch wiesen die Erkrankten geringere Mengen an Entzündungsmediatoren und Zytokinen auf. Einige dieser Zytokine wie Interferon-y benötigen wiederum Ketonkörper. In der Summe reagieren die Immunzellen erschöpft und die Immunantwort wird geschwächt.
In einem Tierversuch konnten die Forschenden zeigen, dass sowohl eine ketogene Ernährung als auch die orale Gabe von Ketonkörpern die Immunantwort wieder verstärkte. Dies sei am Menschen aber erst zu bestätigen. Die Forschenden raten daher von Selbstversuchen ab.
Erfahrungen aus der Therapie anderer schwer behandelbarer neurologischer Krankheiten verdichten die Hinweise, dass das Makronährstoffverhältnis in der Ernährung den Gehirnstoffwechsel maßgeblich beeinflusst.
Durch die bei Alzheimer vorherrschende Insulinresistenz im Gehirn ist die Glukoseaufnahme und -verwertung trotz ausreichendem Blutzuckerangebot eingeschränkt. Ketonkörper können in diesem Fall als alternative Energiequelle dienen und die ATP-Bereitstellung weiterhin gewährleisten.
Die Anwendung einer ketogenen Diät kann zu einer Remission bei Diabetes mellitus führen.
Nach 10 Wochen erreichten 48 % der TeilnehmerInnen eine funktionale Remission (HbA 1c < 6,5 % ohne Medikation oder nur mit Metformin).
Nach 12 Monaten zeigte sich eine hohe Adhärenz (89 %); im Mittel sanken Körpergewicht (-14 kg), HbA1c (-1,3 %), Nüchternglukose (-22 %) und Nüchterninsulin (-43 %). Die Einnahme von Medikamenten konnte deutlich reduziert werden. Zudem sanken die Triglyzeride (-24 %) und das CRP (-39 %), wobei das HDL-Cholesterin (+18 %) anstieg. Das LDL-Cholesterin stieg insgesamt ebenfalls etwas an [McK 2017].
Bei genaueren Untersuchungen zeigt sich jedoch, dass die Dichte der LDL-Partikel abnimmt (-23 %), während die Größe (+29 %) zunimmt. Insgesamt ist der geringfügige Anstieg des LDL-Cholesterins vor allem durch größere cholesterinreiche LDL-Partikel bedingt [Ath 2020].
Zystennieren
Die ketogene Ernährung bzw. der Stoffwechselzustand der Ketose wirkt sich möglicherweise positiv bei der vererbbaren polyzystischen Nierenerkrankung aus, wie eine klinische Studie zeigt.
63 PatientInnen wurden in 3 Gruppen aufgeteilt: eine Gruppe mit ketogener Ernährung über 3 Monate, eine Gruppe mit Wasserfasten an 3 Tagen im Monat und eine Kontrollgruppe mit reduzierter Salzzufuhr sowie einer Trinkmenge von 2 bis 3 Litern täglich.
Als machbar wurden sowohl die ketogene Ernährung (von 91 % der TeilnehmerInnen) als auch das Wasserfasten (89 % der TeilnehmerInnen) eingestuft. In Ketose befanden sich nachweislich die TeilnehmerInnen der Wasserfastengruppe. Die ketogene Ernährung führte zu nachweislich höheren Konzentrationen an Ketonkörpern. In beiden Gruppen zeigte sich ein positiver Einfluss auf die Nierengröße sowie statistisch signifikant auf die Nierenfunktion. 2 TeilnehmerInnen der ketogenen Gruppe entwickelten jedoch einen symptomatischen Nierenstein [Mül 2022].
Ein möglicher Mechanismus zeigte sich im Tiermodell: Die Zystenzellen der Nieren sind nicht in der Lage, ihre Energieversorgung auf den Fettstoffwechsel umzustellen. Die Energiegewinnung aus Kohlenhydraten und Proteinen ist aber aufgrund der fehlenden bzw. unzureichenden Zufuhr über die Nahrung kaum mehr möglich.
Kontraindikationen und mögliche Nebenwirkungen
Kontraindikationen
Es gibt aber auch absolute und relative Kontraindikationen einer ketogenen Diät [S1-Leitlinie 2014].
Absolute Kontraindikationen
- Fettsäureoxidationsstörungen (gestörter Fettsäureabbau hemmt die Bildung von Ketonkörpern)
- Ketoneogenese- und Ketolysedefekte (gestörte Bildung bzw. gestörter Abbau von Ketonkörpern)
- Gluconeogenesedefekte (lebensbedrohliche Hypoglykämien bei Einleitung der ketogenen Diät)
- Pyruvatcarboxylasemangel (gestörte Gluconeogenese, siehe vorherige Kontraindikation)
- mangelnde Compliance (unzureichende Behandlungsbasis)
Relative Kontraindikationen
- Atmungskettendefekte (durch Ketose verstärkte Laktatacidose, mangelhafte ATP-Synthese)
- Nierensteine (vermehrte Steinbildung durch niedrigen pH-Wert des Urins in Ketose)
- Leber-, Nieren- und Pankreaserkrankungen
- Kardiomyopathie, kardiale Arrythmien (potenzielle Nebenwirkungen unter ketogener Diät)
- Osteoporose und Osteopenie (häufiger Kalziummangel bei ketogenen Diäten)
- Störungen des Fettstoffwechsels (verstärkende Störung durch fettreiche Diäten möglich)
- Selenmangel (begünstigt potenziell Herzrhythmusstörungen)
- Carboanhydrase-Hemmer (verstärken Azidose)
Nebenwirkungen
Die Empfehlung, 90 % der Gesamtenergie über Fett zu sich zu nehmen bedeutet eine starke Einschränkung in der Lebensmittelauswahl. Die Nebenwirkungen sind insgesamt gering und meist gut behandelbar [Vin 2008].
kurzfristig
Zu Beginn kann es zu Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Hunger und Sodbrennen kommen [Nea 2008]. Auch Hypoglykämien sind möglich. Es können Flüssigkeitsverluste, insbesondere bei Infektionen, auftreten. Typisch bei Erwachsenen sind Grippe-ähnliche Symptome am Anfang. Diese klingen nach wenigen Tagen ab.
mittel- bis langfristig
Mittel- bis langfristig wurden Nierensteine, Verstopfung und Fettstoffwechselstörungen beschrieben [Vin 2008]. Auch eine Pankreatitis sowie Störungen der Thrombozyten- sowie Granulozytenfunktionen sind möglich [Ber 2001] [Woo 1989] [Ste 2001].
Bei Kleinkindern können zudem Wachstumsstörungen auftreten, sodass eine ausreichende ärztliche Beobachtung während der Diät erforderlich ist [Vin 2002]. Für ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene ist eine derart strenge Diät zudem schwer einhaltbar, da dies eine starke Abweichung von bisherigen Essgewohnheiten und einen zusätzlichen Abstrich in der Lebensqualität bedeutet.
Umsetzung
Allgemeines
In der Ernährungstherapie wird die ketogene Diät meist stationär eingeleitet, um Komplikationen bei der Stoffwechselumstellung schnell und effektiv zu behandeln. Von einer Anwendung ohne fachliche Unterstützung wird abgeraten. Eine begleitende Schulung für Patienten und deren Angehörige (z. B. bei Minderjährigen) wird empfohlen.
Voraussetzungen
Um einen therapeutischen Erfolg überhaupt erzielen zu können, muss die Diät streng und über einen längeren Zeitraum eingehalten werden. Dies setzt eine hohe Akzeptanz und ein intensives Mitwirken aller Beteiligten voraus. Die PatientInnen selbst bzw. die Eltern müssen im Vorfeld genau über die Durchführung, den Nutzen und eventuelle Nebenwirkungen aufgeklärt werden.
Da eine ketogene Diät bei Epilepsie sehr strengen Kriterien folgt und die vorgegebenen Nährstoffverhältnisse möglichst bei jeder Mahlzeit eingehalten werden müssen, ist diese Therapieform nur in Begleitung einer auf diesem Gebiet erfahrenen Ernährungsfachkraft durchzuführen. PatientInnen sollten diese Ernährung nicht auf eigene Faust und ohne fachmännischen Rat beginnen.
Die stationäre Einleitung, zum Beispiel bei Kindern und Jugendlichen, beträgt in der Regel 5-7 Tage. Initiales Fasten ist nicht notwendig (bei Pyruvatdehydrogenasemangel kontraindiziert), kann den Zustand der Ketose jedoch schneller herbeiführen [Ber 2005]. Die Nebenwirkungen sind hier meist häufiger und schwerwiegender.
Anamnese
Da eine ketogene Diät bei Epilepsie sehr strengen Kriterien folgt und die vorgegebenen Nährstoffverhältnisse möglichst bei jeder Mahlzeit eingehalten werden müssen, ist diese Therapieform nur in Begleitung einer auf diesem Gebiet erfahrenen Ernährungsfachkraft durchzuführen. PatientInnen sollten diese Ernährung nicht auf eigene Faust und ohne fachmännischen Rat beginnen.
Zu berücksichtigende Aspekte
Bei der Umsetzung sind einige wesentliche Aspekte zu beachten.
- Wichtig ist eine gute Fettqualität. Bei einem Fettanteil von 60-90 Energie-% ist die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren über tierische Lebensmittel hoch. Daher ist auch auf die regelmäßige Verwendung von Lebensmitteln mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu achten [Kos 2008].
- Um die Bildung von Nierensteinen zu vermeiden, ist auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten [Sam 2007].
- Für eine stabile Ketose sollte das angestrebte Nährstoffverhältnis in jeder Mahlzeit angestrebt werden. Die Fettzufuhr ist auf alle Mahlzeiten gleichmäßig zu verteilen.
- Die Ketose kann durch sportliche Aktivität verstärkt werden.
Dauer/ Erfolg
Der Erfolg der ketogenen Diät bei den sicheren Indikationen kann frühestens nach 3 Monaten einer stabilen Ketose beurteilt werden.
Beenden
Eine länger anhaltende Ketose sollte schrittweise und langsam beendet werden.
Umsetzungsformen
Neben der klassischen ketogenen Diät entwickelten sich praktikablere Formen wie die modifizierte Atkins-Diät und die niedrig-glykämische Index-Therapie (LGIT).
Klassische ketogene Diät
Bei der klassischen ketogenen Diät liegen die energieliefernden Nährstoffe im Verhältnis 4:1 (4 Gewichtseinheiten Fett zu 1 Gewichtseinheit Kohlenhydrate und Protein) oder 3:1 (3 Gewichtseinheiten Fett zu 1 Gewichtseinheit Kohlenhydrate und Protein) in der Kost vor.
Diese werden unter Berücksichtigung des ermittelten Energie- und Proteinbedarfs für den Patienten im Einzelnen berechnet. Der Fettanteil liegt meist zwischen 82 und 90 %.
Diese Form wird schrittweise durch Verkleinerung des Nährstoffverhältnisses (4:1 → 3,5:1 → 3:1 → 2,5:1 etc.) beendet [Fre 1998].
Umsetzung [S1-Leitlinie 2014]
- Energie: individuell berechnet nach Alter, Gewicht und körperlicher Aktivität
- Protein: laut Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr
- Fett: laut Berechnung, Fokus auf Fettqualität (mehrfach ungesättigte Fettsäuren)
- Kohlenhydrate: laut Berechnung, Fokus auf niedrigen glykämischen Index
- Ballaststoffe: Fokus auf ballaststoffreiche Lebensmittel (steigern Volumen der Mahlzeit, erhöhen Sättigung)
- Mikronährstoffe: Bedarf laut Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr; kann häufig nicht ausreichend gedeckt werden
- Supplemente: individuelle Supplementation nach entsprechender Diagnostik und Auswertung Ernährungsprotokoll
- Trinkmenge: unbegrenzt, geringe Flüssigkeitszufuhr birgt Risiko für Verstopfung und Nierensteine
- Verhältnis energieliefernde Nährstoffe Fett zu Kohlenhydrate und Protein: 4:1 (<2 Jahre) bis 3:1 (>2 Jahre, bei starker Ketose und unzureichender Compliance)
- Mahlzeiten: Nährstoffverhältnis ist in jeder Mahlzeit einzuhalten, ≥3 Mahlzeiten
- Mittelkettige (MCT) oder langkettige Fettsäuren (LCT): LCT, bei Verstopfung und schwacher Ketose können MCT in geringer Dosierung eingesetzt werden
- Sonstiges: Süßstoffe zum Süßen, Zuckeraustauschstoffe sind zu berechnen
Modifizierte Atkins-Diät
Die nach dem US-amerikanischen Kardiologen Robert Atkins benannte Diät zeichnet sich durch einen hohen Fett- sowie Eiweißanteil und einen niedrigen Kohlenhydratgehalt aus. Dabei führt die ursprünglich zur Gewichtsreduktion entwickelte Diät ebenfalls zur Bildung von Ketonkörpern, ist allerdings im Vergleich zur klassischen ketogenen Diät abwechslungsreicher, leichter im häuslichen Bereich durchführbar und erfordert weder Fasten, noch das Abwiegen bestimmter Lebensmittelrationen.
Der Fettanteil liegt bei der modifizierten Atkins-Diät bei 60-65 Energie-%. Energie- und Proteinanteile werden nicht berechnet. Die Kohlenhydratzufuhr liegt täglich bei 10-20 g (Kinder) und 30-40 g (Erwachsene).
Diese Form ist einfacher umzusetzen, erhöht die Compliance und reduziert den Zeitaufwand für die Schulung.
Die modifizierte Atkins-Diät wird durch eine Steigerung der Kohlenhydratmenge um 5 g jeden 2. Tag beendet [Kos 2008].
Umsetzung [S1-Leitlinie 2014]
- Energie: nicht berechnet
- Protein: nicht berechnet
- Fett: 60-65 Energie-%; Fokus auf Fettqualität (mehrfach ungesättigte Fettsäuren)
- Kohlenhydrate: 10-20 g/Tag (Kinder), Erwachsene anteilig mehr
- Ballaststoffe: Fokus auf ballaststoffreiche Lebensmittel (steigern Volumen der Mahlzeit, erhöhen Sättigung)
- Mikronährstoffe: Bedarf laut Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr; kann häufig nicht ausreichend gedeckt werden
- Supplemente: individuelle Supplementation nach entsprechender Diagnostik und Auswertung Ernährungsprotokoll
- Trinkmenge: unbegrenzt, geringe Flüssigkeitszufuhr birgt Risiko für Verstopfung und Nierensteine
- Mahlzeiten: ≥3 Mahlzeiten
- MCT oder LCT: LCT, bei Verstopfung und schwacher Ketose können MCT in geringer Dosierung eingesetzt werden
- Sonstiges: Süßstoffe zum Süßen, Zuckeraustauschstoffe sind zu berechnen
Niedrig-glykämische Index-Therapie (LGIT)
Die LGIT basiert auf der Auswahl kohlenhydrathaltiger Lebensmittel mit einem glykämischen Index unter 50. Die tägliche Menge liegt bei 40-60 g täglich. Kombiniert wird dies mit fettreichen Lebensmitteln und Zusatz fettreicher Zutaten zu den Speisen (z. B. Sahne, Mascarpone etc.). Das Fett wird möglichst gleichmäßig über alle Mahlzeiten verteilt.
Neben der größeren Lebensmittelauswahl sowie der leichteren Umsetzung im Kontrast zur klassischen ketogenen Diät liegt der Vorteil dieser Ernährungsform eindeutig auf der nahezu uneingeschränkten Zufuhr an Gemüse. Eine Unterversorgung an bestimmten Vitaminen ist hier eher nicht zu erwarten.
Unter Auswahl von Lebensmitteln mit einem glykämischen Index von unter 50 % kam es bei 10 von 20 Patienten zu einer Reduktion der Anfälle von über 90 % [Pfe 2005]. In einer etwas größeren Studie an 76 Kindern zeigte eine Anfallsreduktion um mehr als 50 % bei 42 % nach einem Monat, bei 50 % nach 3 Monaten und bei 66 % nach einem Jahr [Muz 2009].
Beenden: Diese Form wird durch schrittweises Einführen von Lebensmitteln mit einem GI>50 beendet [Pfe 2008].
Umsetzung [S1-Leitlinie 2014]
- Energie: nicht berechnet
- Protein: nicht berechnet
- Fett: fettreiche Lebensmittel und Zusatz fettreicher Zutaten zu jeder Mahlzeit
- Kohlenhydrate: 40-60 g/ Tag, Auswahl von Lebensmitteln mit einem GI<50
- Ballaststoffe: Fokus auf ballaststoffreiche Lebensmittel (steigern Volumen der Mahlzeit, erhöhen Sättigung)
- Mikronährstoffe: Bedarf laut Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr; kann häufig nicht ausreichend gedeckt werden
- Supplemente: individuelle Supplementation nach entsprechender Diagnostik und Auswertung Ernährungsprotokoll
- Trinkmenge: unbegrenzt, geringe Flüssigkeitszufuhr birgt Risiko für Verstopfung und Nierensteine
- Mahlzeiten: ≥3 Mahlzeiten mit möglichst gleichmäßiger Fettverteilung
- Mittelkettige (MCT) oder langkettige Fettsäuren (LCT): LCT, bei Verstopfung und schwacher Ketose können MCT in geringer Dosierung eingesetzt werden
- Sonstiges: Süßstoffe zum Süßen, Zuckeraustauschstoffe sind zu berechnen
Relevante Lebensmittel, spezielle Produkte und Küchenmanagement
Je nach Umsetzungsform unterscheidet sich die geeignete Lebensmittelauswahl. Daher werden im Folgenden nur „grobe“ Empfehlungen dargestellt: ↑ für geeignete Lebensmittel, ↓ für ungeeignete Lebensmittel
Getränke
↑ kohlenhydratfreie Getränke ad libitum (Wasser, Tee, Kaffee), Gemüsebrühe, „heißes Wasser“ (Knoblauchbrühe)
↓ zuckerhaltige Getränke (Limonaden, Wellnessgetränke, gesüßter Tee und Kaffee, Säfte, Kakao)
Gemüse
↑ stärkearme Gemüse (frisch, tiefgefroren) ohne weitere Zusätze wie Kohlsorten, Blattgemüse, Gurke, Tomaten, Avocado, Artischocke
↓ stärkereiche Gemüse (Hülsenfrüchte, Kartoffeln), Gemüsekonserven und Gemüseerzeugnisse mit Zuckerzusatz
Obst
↑ sehr kleine Mengen dunkle Beerenfrüchte
↓ nahezu alle Obstsorten (frisch, tiefgefroren), Obstkonserven, Marmelade und andere Obsterzeugnisse
Getreide/ -erzeugnisse, Pseudogetreide, Reis
↑ Weizenkeime
↓ nahezu alle Getreide-/ Pseudogetreidesorten und -erzeugnisse sowie Reis in größeren Mengen
Milch/ -erzeugnisse
↑ fettreiche Milchprodukte ohne weitere Zusätze wie Käse, Frischkäse, Sahne, Quark und Joghurt hoher Fettstufe
↓ Milch sowie fettarme Milcherzeugnisse (Quark, Hüttenkäse, Joghurt niedriger Fettstufe)
Fleisch, Wurst und Eier
↑ Fleisch und Fleischerzeugnisse (möglichst aus ökologischer Erzeugung) sowie Eier in moderaten Mengen (Proteingehalt!)
↓ große Mengen hochverarbeiteter Wurstprodukte mit Zuckerzusatz
↑ fettreicher Seefisch (Thunfisch, Lachs, Makrele, Hering, Sardinen/ Sardellen), in moderaten Mengen Meeresfrüchte und fettarmer Fisch
↓ hochgearbeitete Fischkonserven mit Zuckerzusatz
Zubereitungsmethoden
Fettreiche Zutaten in jeder Mahlzeit erhöhen den Fettanteil. Hierzu zählen zum Beispiel:
- Mascarpone, Sahne, Crème fraîche in Soßen, Dips
- Butter in Gemüse
- pflanzliche Öle (z. B. Leinöl) in Quark
Mahlzeiten
Anzahl der Mahlzeiten richtet sich nach dem Bedarf. Empfehlenswert sind mindestens 3 Mahlzeiten am Tag. Die empfohlene Nährstoffverteilung ist bei jeder Mahlzeit einzuhalten.
Diagnostik, Supplemente, Einfluss auf Medikamente
Nachweis von Ketonkörpern (Urin)
Die häufigste Messung ist die sogenannte Nitroprussid-Methode, bei der die Ketonkörper-Konzentration im Urin bestimmt wird. Die hierbei verwendeten Teststreifen weisen nach der Reaktion zwischen Ketonen und Nitroprussid (Na-Nitroferricyanid) eine violette Färbung auf. Die Empfindlichkeit liegt bei 5 mg/dl, sodass physiologische Erhöhungen bis 2 mg/dl nicht erfasst werden. Zudem werden bei dieser Methode nicht alle Ketonkörper, sondern nur Acetoacetat und in manchen Fällen Aceton gemessen. Beta-Hydroxybutyrat wird nicht erfasst. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn diese Methode als Ketonkörpernachweis eingesetzt wird. Zur quantitativen Bestimmung von Beta-Hydroxybutyrat und Acetoacetat im Serum/ Plasma kommen enzymatische Tests zum Einsatz.
Supplemente
Häufig unzureichend werden die Mikronährstoffe Kalzium und Carnitin aufgenommen. Die Substitution von Kalzium sollte von Beginn an in Betracht gezogen werden [Nea 2012]. Carnitinmängel sind seltener. Die Substanz ist jedoch für den Fettsäurestoffwechsel erforderlich und sollte diagnostisch daher regelmäßig überprüft werden [Ber 2001] [Kos 2009].
Einfluss auf Medikamente
Antikonvulsiva werden bei Epilepsie eingesetzt. Die klassische ketogene Diät hat vermutlich nur einen geringen Einfluss auf die Wirksamkeit von Antikonvulsiva. Eine Reduktion der Dosis wird erst bei erfolgreicher Diät in Betracht gezogen.
Weitere Informationen
Leitlinie
Aktualisierte Leitlinie zu ketogenen Diäten verfügbar.
Es steht ein Update der Leitlinie “Ketogene Diäten” zur Verfügung. Erstmals sind internationale Empfehlungen für ketogene Ernährungstherapien für Säuglinge, Erwachsene, bei Glut1-Defekt sowie zur intravenösen Anwendung integriert. Zudem gibt es neue Erkenntnisse zur Therapie bei pädiatrischem und adultem refraktärem und superrefraktärem Status epilepticus. Widersprüchlich sind hingegen weiterhin die verfügbaren Studien zu einem möglichen kardiovaskulären Risiko.
Noch nicht ausreichend belegt ist zudem die Wirksamkeit bei neurodegenerativen Erkrankungen, Tumoren, im Leistungssport sowie im Zusammenhang mit dem Mikrobiom. Das wissenschaftliche Interesse daran ist jedoch hoch, sodass in den nächsten Jahren weitere Ergebnisse zu erwarten sind.
In der Praxis sind orale Ketone verfügbar, die jedoch aufgrund fehlender Anwendungsdaten für den Einsatz in der Therapie nicht etabliert sind.
Die Leitlinie ist auf AWMF online verfügbar.
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