Resistente Stärke – Ernährungstherapeutische Aspekte

Resistente Stärke soll sättigend wirken, den Anstieg des Blutzuckerspiegels dämpfen, die Insulinempfindlichkeit erhöhen und unsere Darmgesundheit fördern. Doch was ist resistente Stärke und welche der vermeintlichen Wirkungen sind nachgewiesen? Wir beantworten im Folgenden die häufigsten Fragen zum Thema.

Definition, Entstehung und Vorkommen von resistenter Stärke

Definition

Bei der resistenten Stärke handelt es sich um Stärke und Stärkeabbauprodukte, die im Dünndarm nicht verdaut und aufgenommen werden können. Die Produkte gelangen unverändert in den Dickdarm und werden durch dort ansässige Bakterien verstoffwechselt. Daher wird resistente Stärke den Ballaststoffen zugeordnet.

Entstehung und Vorkommen

Resistente Stärke (RS) entsteht auf verschiedenen Wegen. In Abhängigkeit dieser unterscheiden wir zwischen drei natürlichen resistenten Stärken. Hinzu kommt eine vierte, industriell hergestellte Form. Die vier Formen unterscheiden sich hinsichtlich Vorkommen und Struktur sowie der physiologischen Wirkung beim Menschen.

RS vom Typ 1: Bei RS vom Typ 1 (RS1) handelt es sich um Stärke, die in intakten Zellen eingeschlossen und für Verdauungsenzyme nur schwer zugänglich ist. Diese ist quasi physisch geschützt. Hierzu zählen grob zerkleinerte Getreidekörner, bestimmte Hülsenfrüchte und Samen. Die Verdaulichkeit dieser Form kann durch weitere Zerkleinerungsprozesse wie Mahlen oder durch Kauen gesteigert werden.

RS vom Typ 2: RS vom Typ 2 (granuläre Stärke, RS2) entsteht durch eine spezielle Anordnung der Stärkemoleküle in einem Stärkekorn. Diese Form kommt bei rohen Kartoffeln, grünen bzw. unreifen Bananen oder bestimmten amylosereichen Maissorten und einigen Hülsenfrüchten vor. Durch Erhitzen der Lebensmittel wird die enthaltene resistente Stärke verdaulich.

RS vom Typ 3: Die retrogradierte Stärke wird als resistente Stärke vom Typ 3 bezeichnet (RS3). Diese entsteht beim Abkühlen zuvor erhitzter Stärke wie in Brot und Kartoffeln oder auch Cornflakes, Teigwaren und Reis. Ein Teil der Stärkemoleküle im erhitzten Lebensmittel lagert sich dabei um und bildet kristalline Bereiche. Dadurch sind die Stärkemoleküle durch die Verdauungsenzyme nicht mehr angreifbar. RS3 ist mengenmäßig am bedeutendsten und spielt auch für die positiven Wirkungen beim Menschen die größte Rolle.

RS vom Typ 4: Bei RS4 handelt es sich um chemisch modifizierte Stärken aus Ethern und Estern. RS4 wird in Form von Acetat-, Citrat- und Phosphatstärken in bestimmten Getränken, Backwaren und Brotprodukten eingesetzt.

Eine Liste mit genauen Gehalten an resistenter Stärke in verschiedenen Lebensmitteln gibt es auf der Website von Free the animal (Link).

Funktionen und Wirkungsweisen

Gelangt resistente Stärke in den Dickdarm, fermentieren dort ansässige Bakterien (vorzugsweise Bifido- und Milchsäurebakterien) die Stärkeketten zu kurzkettigen Fettsäuren, Kohlendioxid, Wasserstoff und Methan. Im Gegensatz zu anderen Ballaststoffen entsteht hier prozentual mehr Buttersäure (Butyrat). Buttersäure ist wie die ebenfalls entstehende Propion- und Essigsäure eine kurzkettige Fettsäure, die die Darmschleimhaut mit Energie versorgt. Kurzkettige Fettsäuren beeinflussen die intestinale Mikroflora und kontrollieren die kontinuierliche Erneuerung der Darmschleimhautzellen. Für die Formen RS1, RS2 und RS3 konnte zudem ein erhöhtes Stuhlvolumen nachgewiesen werden [Cum 1996]. Das beste Substrat für die intestinale Mikroflora ist jedoch die RS3-Form. Diese tritt in natürlichen Lebensmitteln nur in Spuren auf und müsste für messbare Effekte aus geeigneten Stärken hergestellt werden.

Butyrat: Butyrat wird nach der Aufnahme im Dickdarm bis zu 80 % als Energie für die Darmschleimhautzellen genutzt. Es stimuliert die Zellteilung am Grund der Dickdarmkrypten und kontrolliert dadurch deren Wachstum sowie regelmäßige Anordnung in der Dickdarmschleimhaut [Nov 2007]. Butyrat übt noch einen weiteren gesundheitsfördernden Effekt aus: Es hemmt die Umwandlung von primären zu sekundären Gallensäuren im Dickdarm, die krebsstimulierend wirken können. Butyrat ist zudem an der raschen Entgiftung potenziell mutagener Substanzen beteiligt, die in den Dickdarm gelangen. Bei einer täglichen Aufnahme von etwa 15 g RS über die Nahrung ist es so möglich, die Zusammensetzung der intestinalen Mikroflora deutlich zu stabilisieren und zu fördern [Jac 2002].

Auf der anderen Seite bindet RS im Darm kaum Wasser, weder Schwermetalle noch andere Schadstoffe und verlängert wohl auch nicht die Passagezeit des Nahrungsbreies im Darm. Allerdings konnte RS in Tierversuchen die Aufnahme einiger Mineralstoffe wie Eisen, Kalzium, Magnesium, Zink und Kupfer erhöhen [You 2001]. Als Mechanismus wird das Absenken des pH-Wertes im Darm vermutet [Phi 1995]. Der niedrigere pH-Wert könnte auch Entzündungen und oxidativem Stress entgegenwirken [Ham 2007], was wiederum das Risiko für Dickdarmkrebs vermindern könnte. Bisherige Untersuchungen erlauben jedoch keine abschließende Bewertung.

Maisstärke mit einem hohen Anteil an RS führte bei Gesunden und Patienten mit Hyperinsulinämie zu einer verminderten Insulin- und Blutglukosewirkung und damit auch zu einem verzögerten Blutzuckeranstieg. Das spricht für eine geringere glykämische Wirkung [Cro 2003]. Auch andere Untersuchungen wiesen auf eine verbesserte Insulinempfindlichkeit der Zellen [Joh 2010], [Rob 2005], [Mak 2012]. Bei Diabetikern zeigte sich eine verbesserte Insulinsensitivität mit einem geringeren Blutzuckeranstieg, einer geringeren HbA1c-Konzentration und erhöhter antioxidativer Kapazität [Kar 2015]. Des Weiteren ist es möglich, dass der Insulinausstoß in der nachfolgenden Mahlzeit ebenfalls niedriger ist. Dann sprechen wir vom sogenannten „second meal effect“ [Bri 2006]. Insgesamt sind die Studienergebnisse jedoch uneinheitlich. Die beobachteten Effekte traten oftmals erst bei Mengen zwischen 15 und 30 g täglich ein, die mit einer natürlichen Ernährung nicht oder nur schwer zu erreichen sind.

In Tierversuchen konnte bei einem erhöhten Verzehr von resistenter Stärke eine Abnahme an Triglyzeriden im Blut festgestellt werden. Möglicherweise erhöht RS die Ausscheidung von Gallensäuren über den Stuhl und beeinflusst so auch den Gallensäure- und Fettstoffwechsel der Leber. Am Menschen ließ sich dieser Effekt bislang nicht bestätigen.

Inwieweit resistente Stärke die Sättigung verstärken oder verlängern kann, ist noch nicht ganz klar. Studien mit RS vom Typ 3 konnten durch die Modulation verschiedener Sättigungssignale wie GLP-1, GLP-2 oder PYY eine sättigende Wirkung nachweisen [Geu 2014], für RS vom Typ 2 jedoch nicht [Bod 2014].

Technologische Funktion

Resistente Stärke vom Typ 4 ist geruch-, farb- sowie geschmacklos und kann in Lebensmitteln angereichert werden. Zum einen soll so der Gehalt an Ballaststoffen in verarbeiteten Erzeugnissen erhöht werden. Zum anderen wirkt sich RS4 – im Gegensatz zu anderen in Lebensmitteln zugesetzten Ballaststoffen – positiv auf Geschmack, Mundgefühl und Textur des Lebensmittels aus. RS4 weist einen Kaloriengehalt zwischen 1,6 und 2,8 kcal pro Gramm aus und kann den Energiegehalt im Endprodukt verringern, insofern es hier als Ersatz für Kohlenhydrate und Fette eingesetzt wird.

Ernährungstherapeutische Relevanz

Systemischer Lupus erythematodes

Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine häufig auftretende Autoimmunerkrankung und durch akute sowie chronische Entzündungsprozesse in zahlreichen Organen und Geweben des Körpers charakterisiert. Forschenden ist es gelungen, Mäuse durch das Füttern resistenter Stärke vor der Entwicklung eines SLE zu bewahren [Zeg 2019]. Die AutorInnen der Studie gehen davon aus, dass die Ballaststoffe im Darm positive Wirkungen entfalten und so natürliche Reaktionen des Immunsystems gewährleisten. Auf der anderen Seite manifestierte sich die Erkrankung schneller durch die Verbreitung von Lactobacillus reuteri im Darm [Ärztezeitung 2021].

Zufuhrempfehlungen und potenzielle Nebenwirkungen

Zufuhrempfehlungen

Die reale Zufuhr in Deutschland wird auf etwa 4 g täglich geschätzt. Entsprechende Erhebungen sind rar und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass die Gehalte in Lebensmitteln stark schwanken und verschiedensten Einflüssen der Zubereitung unterliegen. Je nachdem, welche Stärkearten in welchen Mengen und nach welchen Zubereitungsformen verzehrt werden, kann die Zufuhr erheblich variieren. Generell lässt sich sagen, dass die Zufuhr mit erhöhtem Anteil an Gemüse und Obst sowie pflanzlichen Lebensmitteln steigt und mit sinkendem Anteil an verarbeiteten Lebensmitteln abnimmt.

Unabhängig davon gibt es für RS keine konkreten Zufuhrempfehlungen. Im Rahmen einer natürlichen Ernährungsweise ist der Verzehr durchaus empfehlenswert. Mit anderen Ballaststoffen zusammen sollte die Zufuhr dann bei etwa 20 bis 30 Gramm täglich liegen. Die Verwendung von speziellen Produkten in Form von Nahrungsergänzungsmitteln ist nach der gegenwärtigen Einschätzung nicht notwendig und ohne Vorteil gegenüber einer ballaststoffreichen Kost mit Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen.

Potenzielle Nebenwirkungen

Wer sich bislang sehr ballaststoffarm ernährt hat, kann bei einer gesteigerten Zufuhr an RS anfangs mit Nebenwirkungen konfrontiert sein. Das können zum Beispiel Blähungen, Verstopfung oder auch Krämpfe und Durchfall sein. Vor allem resistente Stärke vom Typ 2 und 3 scheint anfangs nur begrenzt vom Körper verwertbar zu sein. Vermutlich steigt die Verdaulichkeit mit zunehmenden Bakterienpopulationen im Dickdarm, die RS verstoffwechseln. Die Zufuhr sollte langsam gesteigert werden. Das gilt für Ballaststoffe aller Art.

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