Sulfide – Ernährungstherapeutische Aspekte

Der Chemiker Theodor Wertheim isolierte 1844 schwefelhaltige Inhaltsstoffe aus Knoblauch. Er erhielt durch Wasserdampfdestillation aus zerriebenen Knoblauchzehen kleine Mengen Knoblauchöl. Die als „Sulfide“ bezeichneten sekundären Pflanzenstoffe werden in wasserlösliche (z. B. S-Allylcystein) und fettlösliche (z. B. Diallylsulfid) Verbindungen unterschieden. Trotz anderer Liliengewächse wie Zwiebeln und Lauch, die ebenfalls bedeutende Quellen für Sulfide sind, wurde der überwiegende Anteil wissenschaftlicher Studien mit Sulfiden des Knoblauchs durchgeführt.

Funktionen und Wirkungsweisen von Sulfiden

Schwefel- bzw. sulfidhaltige Inhaltstoffe sind vor allem in Liliengewächsen wie Zwiebeln, Knoblauch, Schnittlauch, Schalotten und Lauch enthalten, die antikanzerogene Wirkungen ausüben. Im Tierversuch wurden Hinweise auf eine das Tumorwachstum hemmende Wirkung der Sulfide in verschiedenen Organen wie Dickdarm, Speiseröhre, Magen und Lunge festgestellt. Auch beim Menschen konnten Zusammenhänge zwischen dem Verzehr von Zwiebeln und dem Auftreten von Magenkrebs beobachtet werden. Entsprechende Fall-Kontroll-Studien in China, Hawaii und Griechenland zeigten, dass ein hoher Verzehr an Zwiebeln, Knoblauch etc. einen Schutz vor Magenkrebs bietet.

Ein Vergleich mit dem Norden Chinas, wo ein Knoblauchanbaugebiet liegt und die Menschen dort auch viel Knoblauch verzehren, mit der Gesamtbevölkerung Chinas zeigt, dass die Mortalitätsrate für Magenkrebs in diesem Gebiet signifikant niedriger ist. Anhand dieser Beobachtungen wurde eine klinische Studie durchgeführt, welche die Zusammenhänge näher untersuchte. Innerhalb von zwei Jahren wurden in China an 564 erkrankten Magenkrebspatienten und 1131 Kontrollpersonen Ernährungserhebungen durchgeführt. Personen mit der höchsten Zufuhr an Zwiebelgemüse zeigten nur 49% des Risikos von Personen mit der niedrigsten Zufuhr. Magenkrebspatienten verzehrten pro Jahr 13,5kg Zwiebelgemüse, also durchschnittlich 3kg weniger als die Teilnehmer der Kontrollgruppen. Es zeigte jedes Zwiebelgemüse eine Schutzwirkung, allerdings mit abnehmender Tendenz für Schalotten, Knoblauch und chinesischen Schnittlauch. Anhand der Ergebnisse lässt sich schlussfolgern, dass das Magenkrebsrisiko bei Personen die schon in jüngeren Jahren (35-50 Jahre) regelmäßig große Mengen an Zwiebelgemüse verzehren, niedriger ist als bei Personen, die dieses Gemüse nicht oder nur selten zu sich nehmen. Auch in den USA konnte ein vergleichsweiser Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Zwiebelgemüse und Magenkrebs festgestellt werden. Somit scheinen die Inhaltsstoffe von Knoblauch hemmend auf das Wachstum von Tumoren wirken.

Der Einfluss des Zeitpunktes der Verabreichung auf die Kanzerogenese gibt Anzeichen auf den protektiven Wirkmechanismus der Sulfide. Es ist wahrscheinlich, dass mehrere Mechanismen für spezifische Sulfide in Frage kommen, da sowohl die Initiation als auch die Promotion beeinträchtigt werden. Neben der antioxidativen Wirkung werden hauptsächlich folgende protektive Mechanismen diskutiert:

  • Hemmung von Phase-I-Enzymen
  • Induktion von Phase-II-Enzymen
  • Beeinflussung des Immunsystems
  • Antibakterielle Wirkung
  • Hemmung der Zellproliferation.

Neben diesen Mechanismen stehen auch die antioxidativen Wirkungen als potentieller Mechanismus gegen eine Krebsentstehung zur Diskussion. Möglichweise hemmen Sulfide die Krebsentstehung über eine direkte Entgiftung der Kanzerogene, entweder in den Organen, in denen sie antikanzerogen wirken oder in den Geweben, die das Kanzerogen passieren muss, bevor es die betreffenden Organe erreicht. Auch eine Kombination von beiden wäre denkbar.

Antimikrobielle Wirkung

Vorstufen von Sulfiden mit antimikrobieller Wirkung sind die S-Alkyl-L-cysteinsulfoxide in Zwiebelgewächsen. Durch Enzyme werden sie zu den wirksamen S-Alkyl-thio- bzw. S-Alkenylthiosulfinaten umgewandelt. In vitro hemmen diese Sulfinate in Verdünnungen von 1:10.000 bis 1:100.000 das Wachstum von Staphylokokken und anderen Bakterien in einen Zeitraum von mindestens 24 Stunden. Die wirksamste Alkylverbindung ist dabei das Alliin. Durch die Aktivität des im Knoblauch enthaltenen Enzyms Alliinase entsteht daraus Allicin. Dieser Stoff ist für den typischen Geruch von Knoblauch verantwortlich und kommt in Zwiebeln, obwohl diese ebenfalls Alliin enthalten, nicht vor. Das Alliin der Zwiebel besitzt zwar die gleiche chemische Zusammensetzung wie das Alliin des Knoblauchs, jedoch unterscheiden sie sich bezüglich der räumlichen Struktur der Moleküle. Dies hat zur Folge, dass die Zwiebel-Alliinase nicht die Entstehung von Allicin katalysiert, sondern die Synthese des tränenauslösenden Faktors Propanthialsulfoxid.

Knoblauchsaft unterdrückt in vitro noch in einer Verdünnung von 1:250.000 das Wachstum von grampositiven und gramnegativen Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken, Vibrionen), Bazillen sowie Pilzen und Hefen, diese Wirkung ist wahrscheinlich auf das Ajoen zurückzuführen. Schon geringe Mengen an Sulfiden (40 mg Gesamtsulfide/ml) in einem wässrigen Extrakt aus unerhitztem Knoblauch waren im Stande, in vitro das Wachstum von Helicobacter pylori zu hemmen. Diese Mengen entsprechen zwei kleinen Knoblauchzehen in einem Magenvolumen von einem halben Liter. Es wird vermutet, dass H.pylori an der Entstehung von Magenkrebs beteiligt ist. Der aus epidemiologischen Untersuchungen erforschte Schutz vor Magenkrebs durch Knoblauch, kann durch dessen Hemmwirkung auf das Wachstum von H.pylori zurückzuführen sein. Die menschlichen Darmbakterien sind sogar in der Lage, die antimikrobiell unwirksamen S-Alkyl-L-cysteinsulfoxiden zu wirksamen L-Alkylthiosulfinate umzuwandeln. Somit kann ein regelmäßiger Verzehr von Zwiebelgewächsen eine antimikrobielle Wirkung im Magen-Darm-Trakt bewirken und dadurch einen regulierenden Einfluss auf die Darmflora ausüben. Dies kann die prophylaktische bzw. therapeutische Wirkung von Zwiebelgewächsen bei Darminfektionen möglicherweise begründen. Hervorzuheben ist, dass vor allem pathogene Darmbakterien durch Knoblauch gehemmt werden und die physiologische Darmflora unbeeinträchtigt bleibt.

Zelluläre Proteine der Mikroorganismen könnten durch Oxidation der funktionellen Thiolgruppen zu Disulfiden inaktiviert werden. Die Wirkungen von Sulfhydrylgruppen, z.B. in Cystein und Glutathion, könnten durch eine Reaktion mit Allicin kompetitiv gehemmt werden.

Über die weiteren in Zwiebelgewächsen enthaltenen Sulfide liegen keine Kenntnisse zur antimikrobiellen Wirkung vor. Diese Sulfide kommen zwar auch in Kohlpflanzen vor, da die Alliinase fehlt kann kein antimikrobiell wirksames Thiosulfinat entstehen. Das die Sulfide für die antimikrobielle Wirkung des Knoblauchs verantwortlich sind, konnte gezeigt werden indem die Alliinase gehemmt wurde und die Sulfide selektiv aus dem Knoblauch entfernt wurden. Beide Schritte verhinderten die antimikrobielle Wirkung des Knoblauchs. Aufgrund weiterer Untersuchungen ist die antimikrobielle Wirkung von Allicin bei  Darminfektionen teilweise auf eine Hemmung von Cysteinproteinasen in Entamoeba histolytica, fakultativ pathogenen Darmprotozon, zurückzuführen. Das Enzym ist für die toxische Wirkung dieses Protozoen mitverantwortlich.

Antioxidative Wirkung

Einige Sulfide, besonders die Allyldi- und -trisulfide, induzieren die Synthese des Glutathion-Enzymsystems. Sie wirken hierbei aber nicht primär als Antioxidantien, sondern stimulieren den Antioxidansmechanismus. Schon lange wird eine direkte antioxidative Aktivität der schwefelhaltigen, biologisch aktiven Inhaltsstoffe des Knoblauchs vermutet. An Rattenlebermikrosomen wurde im Tierversuch eine Membranschutzwirkung der Knoblauchextrakte beobachtet, diese wurde auf die Hemmung der Lipidperoxidation durch antioxidative Bestandteile dieser Knoblauchextrakte zurückgeführt. Die Ergebnisse von In-vivo- und In-vitro-Untersuchungen weisen darauf hin, dass der Knoblauchinhaltsstoff Allicin den Peroxidationsprozess von humanem LDL verzögert und dadurch protektiv gegen arterielle Erkrankungen wirksam ist. Weitere In-vitro-Untersuchungen weisen darauf hin, dass Allicin OH-Radikale neutralisieren kann. Andere Gemüse, die reich an schwefelhaltigen Inhaltsstoffen sind wie rohe Zwiebeln und roher Rettich, schützten Erythrozytenmembranen  vor Lipidperoxidation.

Antithrombotische Wirkung

Schwefelhaltige Verbindungen, wie sie im Knoblauch und in Zwiebeln, besitzen eine stark hemmende Wirkung auf die Thrombozytenaggregation und eine aktivierende Wirkung auf die Fibrinolyse. Diese Zusammenhänge wurden in zahlreichen experimentellen sowie vereinzelt in epidemiologischen Studien untersucht. Als besonders wirksame Komponenten in Knoblauch wurden Allicin und Ajoen identifiziert. Allicin kann auch zu 2-Propensulfensäure und Thioacrolein zerfallen, woraus weitere Verbindungen mit antithrombotischer Wirkung entstehen. Da Knoblauchinhaltsstoffe auch auf die Fibrinolyse Einfluss ausüben, wurde dies in einer klinischen Studie untersucht. Der tägliche Verzehr von 6 Knoblauchzehen über 2 Wochen führte zu einer signifikanten Erhöhung der fibrinolytischen Aktivität. Am stärksten hemmt Ajoen von allen Sulfiden die Thrombozytenaggregation, seine Wirkung ist mit dem sehr wirksamen Aspirin. Die Thrombozytenaggregation wird vermutlich dadurch blockiert, da es Fibrinogenrezeptoren auf Thrombozyten besetzt. Eine Ajoenzufuhr kann nur durch den Verzehr von frischen Knoblauch erfolgen, da es nicht in Knoblauchpulver, noch in Tabletten, Ölen oder sonstigen Extrakten enthalten ist.

Zwiebelgewächsen und vor allem dem Knoblauch werden aufgrund ihrer Vielfalt an bioaktiven Schwefelverbindungen eine Reihe gesundheitsfördernder Wirkungen zugeschrieben, so auch eine cholesterinsenkende Wirkung. Die Wirkung des Knoblauchs beruht auf der Verminderung der Blutlipid- und im speziellen der Cholesterinsynthese. Dies geschieht durch eine Hemmung der Schlüsselenzyme wie die Fettsäuresynthetase, HMG-CoA-Reduktase, Cholesterin-7a-Hydroxylase und die Acyl-CoA-Cholesterin-Acyltransferase (ACAT). Als wirksame Inhibitoren haben sich mehrere Schwefelverbindungen des Knoblauchs erwiesen.

Aufgrund bisheriger Untersuchungen kann für die Hemmung der Cholesterinsynthese in der Leber dem Alliin eine zentrale Position zugesprochen werden. Alliin reagiert vermutlich neben anderen schwefelhaltigen Verbindungen des Knoblauchs mit der SH-Gruppe der HMG-CoA-Reduktase. Die dadurch entstehenden Disulfidbrücken blockieren vorübergehend die Azetylübertragung, wodurch die Folgereaktionen der Cholesterinsynthese nicht ablaufen können.

Über die lipidsenkende Wirkung des Knoblauchs liegen eine ganze Reihe entsprechender Untersuchungen sowohl an gesunden als auch an hyperlipidämischen und hypercholesterinämischen Patienten vor. Es konnte gezeigt werden, dass Probanden beim regelmäßigen Verzehr größerer Mengen Knoblauch und Zwiebeln niedrigere Blutlipid- und Serumcholesterinwerte aufwiesen als solche, die diese Lebensmittel nicht verzehrten. Die Studien die mit Knoblauchpräparaten durchgeführt wurden lieferten widersprüchliche Ergebnisse.

Für eine zusätzliche Cholesterin-senkende Wirkung des Knoblauchs soll die Verzögerung der Lipidperoxidation verantwortlich sein. Neben natürlichen Antioxidantien wie Carotinoiden und den Vitaminen E und C wirkte auch Allicin diesem Prozess entgegen. Die reaktiven Moleküle scheinen dabei die reduzierenden Thioallylverbindungen zu sein.

Als ein Wirkprinzip der Hemmung des Tumorwachstums wird eine Stimulation der Immunmechanismen diskutiert, die an der Kontrolle des Tumorwachstums beteiligt sind. Allerdings wurden diese Untersuchungen mit frischem Knoblauch und Knoblauchextrakten durchgeführt und nicht mit Sulfiden, aufgrund ihrer instabilen Verbindung. Deswegen ist zu bemerken, dass Knoblauch weitere Inhaltsstoffe besitzt die immunstimulierend wirken können. Anhand eines Tumormodells wurde nach Behandlung mit einem flüssigen Knoblauchextrakt ein verstärktes Einwandern von Makrophagen und Lymphozyten in das Tumorgewebe beobachtet, dies führte zu Nekrosen und Blutungen. bei Tieren steigerte die Injektionen von Knoblauchextrakten die Aktivität der Phagozyten in verschiedenen Abschnitten des Immunsystems. In der ersten Studie am Menschen wurde der Einfluss hoher Konzentrationen von frischem Knoblauch auf die Aktivität der Natürlichen Killerzellen untersucht. Die Probanden mussten über die Dauer von drei Wochen täglich 0,5g Knoblauch pro kg Körpergewicht verzehren. Am Ende der Studie hatte sich die Aktivität der Natürlichen Killerzellen der Versuchsgruppe gegenüber dem eigenen Ausgangswert sowie gegenüber dem Endwert der Kontrollgruppe signifikant erhöht.

Vorkommen

Vorkommen

Die schwefelhaltigen Duft- und Aromastoffe kommen vor allem in Zwiebelgewächsen wie Zwiebeln, Knoblauch, Schalotten, Schnittlauch und Porree vor. Allicin selbst ist sonst in der intakten Knoblauchzehe nur in sehr geringen Mengen vorhanden. Hauptwirkstoffe des flüchtigen Knoblauchöls sind Diallyldisulfid (DADS) und Diallyltrisulfid (DATS), zusätzlich finden sich Diallylsulfid (DAS) sowie Methylallyldisulfid (MADS) und Methylallyltrisulfid (MATS) [EU 2002].

Diese flüchtigen Verbindungen entstehen aus dem instabilen Allicin bei enzymatischer oder thermischer Zersetzung. Der Allicingehalt des Knoblauchs erhöht sich bei einer Kaltlagerung. Im Handel erhältliche Knoblauchpräparate enthalten kein Allicin. Auch das Sulfid Ajoen, welches die fibrinolytische Aktivität beeinflusst, wurde bisher weder in dehydrierten Knoblauchpulver noch in Tabletten, Ölen oder sonstigen Extrakten nachgewiesen. Der tränenauslösende Faktor Propanthialsulfoxid entsteht in Zwiebeln aus dem Sulfid S-Propenyl-L-cysteinsulfoxid. Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass hierfür nicht allein das Enzym Alliinase verantwortlich ist, sondern dass ein weiteres Enzym, die sog. Tränenfaktor-Synthase, zusätzlich benötigt wird.

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