Insulin ist das zentrale Hormon der Blutzuckerregulation in unserem Körper. Es handelt sich um ein kugelförmiges Hormon, das aus einzelnen Eiweißbausteinen, den Aminosäuren, zusammengesetzt ist. Insulin spielt eine elementare Rolle im Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel und steht in engem Zusammenhang mit der Entstehung der Insulinresistenz, des Diabetes mellitus und des metabolischen Syndroms. Darüber hinaus fördert oder hemmt es eine Vielzahl weiterer Reaktionen im gesamten Stoffwechsel.
Insulinbildung und -freisetzung
Bildung
Das Hormon besteht aus 52 Aminosäuren, die in Form von zwei Ketten über mehrere Brücken miteinander verbunden sind. Im Körper lagert sich das Hormon zu einem kugeligen Gebilde zusammen.
Es wird hauptsächlich in der Bauchspeicheldrüse in den sogenannten Betazellen gebildet. Vermutlich kann Insulin sogar im Gehirn gebildet werden [Ger 2003]. Nach einem definierten Bauplan entsteht im Körper aus einer Vorstufe (Präproinsulin) das Vorläuferhormon (Proinsulin). Bei diesem sind die zwei Ketten noch durch eine Zwischenkette (C-Peptid) verbunden.
Initiation der Freisetzung
Proinsulin wird in kleinen Bläschen, den Granula, in der Zelle gespeichert. Erst bei Bedarf spalten spezielle Enzyme das C-Peptid ab, wodurch das aktive Insulin entsteht. Dieses gelangt anschließend in die Blutbahn.
Der Mechanismus der Insulinfreisetzung ist komplex:
- Nach der Nahrungsaufnahme wird Glukose im Darm über spezifische Transporter in die Darmzellen eingeschleust.
- Der Zucker gelangt über das Blut zu den Betazellen der Bauchspeicheldrüse und wird hier über einen weiteren Transporter aufgenommen.
- Dieser schleust Glukose erst ab einer bestimmten Blutzuckerkonzentration (10 mmol/l bzw. 180 mg/dl) in die Zellen. So wird verhindert, dass auch im nüchternen Zustand große Mengen Insulin ausgeschüttet werden. Der normale, nüchterne Blutzuckerspiegel liegt bei etwa 5 mmol/l bzw. 90 mg/dl.
- Nach der Aufnahme wird Glukose in einem mehrstufigen Prozess abgebaut, in dem Energie in Form von ATP frei wird.
- Durch die ansteigende ATP-Konzentration schließen sich die Kaliumkanäle in der Zellmembran, wodurch eine Art Ladungs-Ungleichgewicht entsteht. Das wiederum führt zur Öffnung von Kalziumkanälen. Das einströmende Kalzium löst daraufhin die Insulinfreisetzung aus.
- Insulin gelangt über das Blut zu den Zielzellen.
Phasen der Freisetzung
Insulin wird nicht nur nach der Nahrungsaufnahme freigesetzt, sondern in geringen Mengen auch im Nüchtern-/ Hungerzustand. Das sogenannte Basalinsulin wird fortwährend abgegeben. Der Tagesbedarf liegt bei etwa 35 Insulineinheiten (ca. 1,5 mg). Die Insulinfreisetzung erfolgt dann in zwei Phasen.
Phase 1: Die erste Phase setzt nach der Nahrungsaufnahme ein. Hier kommt es zu einer pulsartigen Freisetzung von Insulin, um die schnell aufgenommene Glukose zu verwerten und die Glukoseproduktion in der Leber einzuschränken.
Phase 2: In der zweiten Phase erfolgt eine länger anhaltende, allmähliche Bildung und Freisetzung von Insulin, um die Glukose aus langsamer verdauten und aufgenommenen Kohlenhydraten zu verwerten.
Anschließend wird ein Teil des Insulins von den Zielzellen verstoffwechselt. In der Leber und in den Nieren wird das Hormon enzymatisch abgebaut und anschließend ausgeschieden.
Anblick und Geruch einer Mahlzeit
Der bloße Anblick oder Geruch einer Mahlzeit führt bereits zu einer (minimalen) Insulinausschüttung. In dieser neuronal vermittelten Phase der Insulinfreisetzung tritt eine kurze Entzündungsreaktion auf, wie Schweizer Forschende herausfanden [Wie 2022]. Diese ist für das Freisetzen von Insulin notwendig. Verantwortlich hierfür ist der Botenstoff Interleukin-1 beta (IL-1 beta), der auch an der Abwehr von Krankheitserregern oder aber an der Entstehung von Diabetes mellitus vom Typ 2 beteiligt ist.
Im Gehirn aber regen Geruch und Anblick der Mahlzeit bestimmte Immunzellen an, die kurzfristig IL-1 beta ausschütten. Das wiederum stimuliert das vegetative Nervensystem. Von hier aus gelangt das Signal an die Bauchspeicheldrüse, den Ort der Insulinausschüttung.
Bei Personen mit Übergewicht fällt die Entzündungsreaktion deutlich heftiger aus, sodass die neuronal vermittelte Phase der Insulinfreisetzung hier bereits beeinträchtigt sein kann.
Einfluss durch Nahrungsaufnahme
Kohlenhydrat- und zuckerreiche Speisen verursachen einen schnellen und hohen Insulinspiegel im Blut, der im Anschluss auch zügig wieder absinkt. Sind nur wenige Kohlenhydrate bzw. Zucker in der Nahrung, steigt der Insulinspiegel langsamer an und fällt flacher aus.
Weitere Informationen zum Thema:
Fette und Ballaststoffe
Fette, Proteine und Ballaststoffe verzögern den Insulinanstieg im Blut. Das Maß des Insulin- und Blutzuckeranstiegs nach dem Essen wird mithilfe des glykämischen Indexes beschrieben.
Die verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin (BCAA, branched-chain amino acids) machen ca. 20 % der aufgenommenen Nahrungsproteine aus. Diese stimulieren die Insulinfreisetzung nach einer Mahlzeit.
In Studien zeigte sich, dass eine verminderte Zufuhr an diesen Aminosäuren die Insulinwirkung einerseits erhöhen und die Insulinfreisetzung nach einer Mahlzeit andererseits senken kann. Nach 7 Tagen zeigten sich zudem eine verbesserte Funktion der Mitochondrien im Fettgewebe sowie eine Veränderung des Mikrobioms [Kar 2019].
BCAA werden auch seit längerem mit einer Insulinresistenz bei Übergewicht assoziiert. Ein Insulinmangel scheint zudem mit einer höheren Konzentration an BCAA nach deren Zufuhr über die Nahrung einherzugehen. Die Insulinempfindlichkeit ist bei Diabetes mellitus herabgesetzt. Diese Mechanismen könnten laut den ForscherInnen zu einer schnelleren Erschöpfung der Insulinsekretionsreserve bei neu entdecktem Typ-1-Diabetes beitragen [Kar 2021].
Einfluss durch Lebensstil
Schlafdauer und -qualität
Beeinflussen Schlafdauer, Schlafqualität und der Zeitpunkt des Schlafes die glykämische Antwort auf eine Frühstücksmahlzeit? Um das herauszufinden, bekamen TeilnehmerInnen über 2 Wochen nach dem Schlaf eine isokalorische Frühstücksmahlzeit und wurden mittels Aktigrafie (nichtinvasives Verfahren zur Untersuchung menschlicher Aktivitäts- und Ruhezyklen) sowie mithilfe von Glukosemonitoren vor- und nachher umfassend vermessen [Tse 2021].
Dabei zeigte sich: Eine schlechte Schlafqualität und späte Schlafenszeiten führen zu höheren glykämischen Antworten auf das Frühstück. Das zeigte sich sowohl zwischen den TeilnehmerInnen als auch innerhalb ein und derselben Person, wenn diese ihren Schlafrhythmus veränderte.
Die Forschenden schließen daraus, dass Schlafdauer und -qualität mehr in die therapeutische Begleitung einfließen und bei PatientInnen mit Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus aktiv erfragt werden sollten.
Wirkungen im Stoffwechsel
Regulation des Blutzuckerspiegels
Die Hauptaufgabe des Insulins besteht darin, den Blutzuckerspiegel, zum Beispiel nach der Nahrungsaufnahme, zu senken. Dabei fördert es Stoffwechselprozesse, die zu einer Aufnahme der Glukose in die Zellen bzw. deren Verwertung führen. Gleichzeitig hemmt es Prozesse, bei denen Zucker neu gebildet wird. Zudem wirkt Insulin auf eine Reihe weiterer Stoffwechselwege wie Fettaufbau und -speicherung oder die Eiweißsynthese.
Die Wirkung in der Zelle ist ebenfalls streng reguliert. Nicht alle Zellen, die auf Glukose angewiesen sind, benötigen Insulin als Türöffner. Muskel- und Fettzellen hingegen brauchen das Hormon, um mit dem Treibstoff Glukose versorgt zu werden. Insulin bindet dafür an einen spezifischen Türöffner (Rezeptor) in der Zellmembran. Dieser leitet das Hormonsignal in die Zelle weiter.
Insulinabhängige Gewebe
- Muskulatur
- Fettgewebe (→ Fettgewebe)
Insulinunabhängige Gewebe
- rote Blutzellen
- Leber (→ Leber)
- Gehirn
- lymphatische Gewebe (→ Lymphsystem)
Effekte auf die Muskulatur
Aufnahme Glukose, Bildung Glykogen, Hemmung Abbau von Glykogen
Im Muskel fördert Insulin die Aufnahme von Glukose in die Zellen. Auf diese Weise wird bereits ein Großteil der Glukose aus dem Blut entfernt. Der Muskel baut einen kleinen Teil der Glukose für die eigene Energieversorgung sofort ab. Dieser Abbau (Glykolyse) wird ebenfalls Insulin angeregt.
Ein weiterer Teil des Zuckers dient dem Aufbau des muskulären Energiespeichers Glykogen, welcher den Muskel zwischen den Mahlzeiten versorgt. Auch diesen Prozess (Glykogensynthese) unterstützt das Hormon. Gleichzeitig wird der Abbau von Glykogen (Glykogenolyse) gehemmt.
Bildung von Fett
Gelangt mehr Glukose in den Muskel, als der Glykogenspeicher fassen kann, wird der Zucker – ebenfalls durch Insulin begünstigt – zu Fett umgebaut (Lipidsynthese) und zwischen den Muskelfasern gespeichert.
Aufnahme von Aminosäuren und Bildung Eiweiß
Insulin unterstützt zudem die Aufnahme einiger Aminosäuren wie Alanin in den Muskel und fördert so die Neubildung von Eiweiß (Proteinsynthese).
Aufnahme von Kalium
Schlussendlich wird auch die Aufnahme von Kalium in die Zelle durch das Hormon stimuliert.
Effekte auf das Fettgewebe
Aufnahme von Glukose
Auch im Fettgewebe führt Insulin zu einer erhöhten Glukoseaufnahme. Das Fettgewebe ist ebenfalls in der Lage, nach Mahlzeiten große Mengen Zucker aufzunehmen und so den Blutzuckerspiegel schnell wieder zu normalisieren.
Aufnahme freier Fettsäuren, Bildung von Fett
In der Fettzelle begünstigt Insulin sowohl den Abbau von Glukose (Glykolyse), wie auch die Umwandlung zu Fett (Lipidsynthese). Gleichzeitig fördert das Hormon auch die Aufnahme von freien Fettsäuren aus dem Blut und deren Speicherung im Fettgewebe. Dies wird unter anderem durch die Stimulation eines Enzyms (Lipoproteinlipase) erreicht.
Hemmung Fettabbau
Der Abbau von Fett (Lipolyse) ist unter Insulineinwirkung hingegen gehemmt. Insulin ist somit maßgeblich am Aufbau von Körperfett beteiligt bzw. erschwert dessen Abbau.
Effekte auf die Leber
Neubildung von Fett, Hemmung Abbau von Fett
Im Gegensatz zum Muskel- und Fettgewebe verfügt die Leber über Transporter, die Glukose auch ohne Insulin in die Zellen schleusen können. Dennoch stimuliert Insulin auch hier die Neubildung von Glykogen, Fettsäuren sowie Triglyzeriden und hemmt den Fettabbau. Insulin verursacht also auch hier eine Umschaltung von abbauendem (katabolem) auf aufbauenden (anabolen) Stoffwechsel.
Abbau und Neubildung von Glukose oder Abgabe Glukose ins Blut
Bei hohen Blutzuckerspiegeln (Hyperglykämie) begünstigt Insulin in der Leber den Abbau von Glukose zur Energiegewinnung (Glykolyse). Gleichzeitig wird die Neubildung von Glukose (Glukoneogenese) gehemmt. Bei einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) hingegen geben die Leberzellen Glukose an das Blut ab, unabhängig davon wie hoch der Insulinspiegel ist.
Effekte auf die Blutgefäße
Bildung Stickstoffmonoxid, Förderung der Durchblutung
In den Blutgefäßen fördert Insulin die Bildung von Stickstoffmonoxid. Dieses wirkt gefäßerweiternd (vasodilatatorisch) und hemmt die Anheftung von Zellen an die Gefäßwand (Zelladhäsion), die Zusammenlagerung von Blutplättchen (Thrombozytenaggregation) und die Teilung der glatten Muskelzellen. Insulin fördert auf diese Weise die Durchblutung und verbessert den Glukosetransport zum Muskel- bzw. Fettgewebe.
Effekte auf das Gehirn
Bildung von Neurobotenstoffen
In den Gehirnzellen wiederum stimuliert das Hormon die Bildung von Neurobotenstoffen wie
- Acetylcholin (wichtig für das Gedächtnis)
- Serotonin (wirkt beruhigend und entspannend)
- Gamma-Amino-Buttersäure, GABA (hemmt Erregung) und
- Glutamat (dient der Kommunikation und Aktivität im Gehirn).
Beeinflussung des Belohnungszentrums
Das Hormon Insulin senkt scheinbar den Dopaminspiegel im Gehirn und verändert dessen Netzwerkstruktur. Das fanden ForscherInnen an der Universitätsklinik Tübingen in einer ersten, kleinen Studie heraus. Dopamin ist ein wichtiger Neurotransmitter zur Regulation kognitiver Funktionen sowie des Belohnungssystems. Insulin wiederum reguliert zahlreiche Prozesse des Stoffwechsels. Veränderungen in einem der beiden Systeme werden mit der Entstehung von Übergewicht, Diabetes mellitus und deren Folgen in Verbindung gebracht. Unklar war bislang, inwieweit beide Systeme direkt miteinander interagieren.
Die direkte Interaktion wurde an 10 gesunden, normalgewichtigen Männern mithilfe einer Kombination aus MRT (Magnetresonanztomografie) und PET (Positronenemissionstomografie) nachgewiesen [Kul 2021]. Die ForscherInnen gehen davon aus, dass das Zusammenwirken von Insulin-Ausschüttung und Belohnungssystem ein wichtiger Treiber für die vom Gehirn abgeleitete Kontrolle über den Glukosestoffwechsel und das Essverhalten sein kann. Denn eine starke Fettzunahme des Körpers verändert die Signalgebung des Gehirns. In der Folge können der gesamte Fett- und Glukosestoffwechsel gestört werden.
In weiteren Forschungsarbeiten soll der Zusammenhang bei adipösen bzw. diabetischen Personen untersucht werden. Hintergrund ist die Annahme, dass eine vorherrschende Insulinresistenz im Gehirn eine normale (insulininduzierte) Regulation des Dopaminspiegels im Belohnungszentrum unterbindet.
Störungen der Insulinbildung und Freisetzung
Eine unzureichende oder fehlende Produktion von Insulin führt zum Krankheitsbild des Diabetes mellitus. Häufig geht dem eine Insulinresistenz voraus. Dann sind die Zellen des Körpers nicht mehr in der Lage, auf Insulin zu reagieren und Glukose aus dem Blut aufzunehmen. In der Folge kommt es zu hohen Blutzuckerspiegeln, die wiederum eine noch höhere Ausschüttung von Insulin bewirken. Über einen langen Zeitraum kommt es zur Erschöpfung bzw. Schädigung der Zellen der Bauchspeicheldrüse, woraufhin kein Insulin mehr gebildet werden kann.
Weitere Folgen
Eine Insulinresistenz hat weitreichende Folgen und steht in engem Zusammenhang mit weiteren Erkrankungen wie:
- Fettstoffwechselstörungen
- Fettleber
- PCOS (polyzystisches Ovarialsyndrom)
- Bluthochdruck
- Gewichtszunahme
- koronaren Herzkrankheiten und dessen Folgen (Herzinfarkt, Schlaganfall)
- und weitere.
Fazit
Insulin ist das anabolste Hormon im Körper, dessen wichtigste Aufgabe es ist, den Blutzuckerspiegel zu senken.
Insulin fördert aufbauende Prozesse
- Bildung von Fett
- Auffüllen der Glykogenspeicher
- Muskelwachstum
- Neubildung von Eiweiß
- etc.
Insulin hemmt abbauende Prozesse
- Fettverbrennung (nicht aktivierter Fettstoffwechsel)
- Glykogenabbau
- etc.
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